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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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auch Faunian sagen, daß es für die Sorglosigkeit ihrer menschlichen Begleiter keinen Anlaß gab. Sollte einer dieser mächtigen Bäume zu stürzen beginnen, dann hätte der Tentakel die Fallkurve mit einer Fahrkurve des Gravitracs zu vergleichen und den eventuellen Schnittpunkt zu ermitteln. Sollte ein Schnittpunkt existieren, hätte er ein Ausweichmanöver einzuleiten und ständig seine Einhaltung zu überwachen. Dabei müßte er zusätzlich beobachten, daß er keine Beschleunigung verwendet, die über den zulässigen Werten liegt.
    »Der Tentakel benötigt zwar für seine Berechnungen eine nur winzig kleine Zeitspanne, aber die mechanischen Abläufe sind nicht so schnell, daß eine ausreichende Ausweichzeit zur Verfügung stehen muß«, versuchte er Lekon zu unterstützen. »Wir sollten es nicht unbedingt auf einen Versuch ankommen lassen.«
    Er sah, daß Cosita einen Blick auf das nach hinten geschobene Verdeck warf und spürte ihren Gedankenbefehl an den Tentakel. Gehorsam rollte die glasklare Wölbung nach vorn und sicherte sie alle wie eine große Blase ab. Er freute sich über ihre Vorsichtsmaßnahme und blickte sie lange an. Die silbrige Haut ihres Gesichtes schien in den letzten Tagen dunkler geworden zu sein. Trotz der Maske glaubte er einen gelblichen Schein auf ihren Wangen wahrnehmen zu können.
    Faunian fühlte sich durch die Warnung des Tentakels beunruhigt. Ihm wäre viel wohler, hätte er jetzt ständigen Kontakt zu Bojans Gruppe halten können, aber es hatte sich fatalerweise ergeben, daß ihre Emitter völlig versagten. Karin Bachfeld hatte ihm mitgeteilt, daß Bojan gewisse Strahlungen der Sonne für diesen Effekt verantwortlich machte. Zwar hatte sie ihm auch über Bojans Arbeiten und Sorgen berichtet, einen direkten Kontakt wog das jedoch in keiner Weise auf. Bei der nächsten Expedition mußten sie unbedingt Abhilfe schaffen, zumal die Funkanlagen der Menschen mit annähernd ausreichender Leistung Dimensionen aufwiesen, die einen Einbau in die Gravitracs unmöglich machten. Wer hätte ahnen können, daß die bewährten Methoden der Paraemissionen auf der Erde einfach nicht funktionierten?
    Über das glasklare Verdeck huschten Sonnenreflexe. Hin und wieder drangen die heißen, stechenden Strahlen des Zentralgestirns über die Gesichter. Leises Rauschen drang durch die Wände des Fahrzeuges und deutete an, daß eine langsame Bewegung der Luftmassen das Laub über ihren Köpfen schüttelte. Langsam suchte sich der Gravitrac seinen Weg.
    Auf einer der kleinen Lichtungen hielten sie das Fahrzeug an und stiegen aus. Der Boden des Dschungels wimmelte von Leben. Es gab nicht einen winzigen Fleck, auf dem keine Tiere anzutreffen gewesen wären.
    Karin Bachfeld berührte Faunian an der Schulter. Mit einer langsamen Handbewegung deutete sie auf den glatten Stamm eines Baumes, an dem ein langgestrecktes Tier mit ruckartigen Bewegungen emporstrebte. Es war eine der Echsen, wie sie auch Kaltos geschildert hatte. Es fiel nicht leicht, die Aversion zu überwinden und das Tier in näheren Augenschein zu nehmen, aber dann war er doch erstaunt über die Zweckmäßigkeit, mit der die Natur gearbeitet hatte. Die kurzen, kräftigen Beine der Echse liefen in fünfzehigen Füßen aus, mit deren Saugplatten das Tier einen, wie es schien, sehr sicheren Kontakt zu der glatten Rinde des Baumes erreichte.

    »Ein Gecko!« flüsterte die Frau neben ihm. »Die Menschen hier halten ihn wie ein Haustier, weil er ein ausgezeichneter Ungeziefervertilger ist.«
    Die Echse tat einen Sprung vorwärts, neigte blitzschnell den Kopf zur Seite, und dann deuteten heftige Kaubewegungen der breiten Kiefer darauf hin, daß sie irgendein Insekt erbeutet hatte.
    Faunian beugte sich noch ein Stück vor. Was er sah, ließ ihn das Blut in den Adern erstarren. Aus dem zahnbewehrten Maul des Geckos ragten lange, haarige Beine, die sich im Todeskampf wanden. Es war entsetzlich.  
    Da war es wieder, dieses ekelhafte Morden in der Natur, dieses Fressen und Gefressenwerden, dieses Überleben um den Preis des Lebens des anderen, dieser Teufelskreis, in dem auch diese Menschen noch bis vor wenigen Jahren gefangen waren.
    Er blickte verstohlen auf die Frau neben sich, die den Gecko interessiert beobachtete. Hatten sich diese Menschen eigentlich schon so weit von den sie umgebenden Tieren entfernt, daß es sich lohnte, mit ihnen dauernd in Kontakt zu treten? Kopfschüttelnd verjagte er die Gedanken und blickte auf den Stamm des Baumes, an dem der

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