Am Rande wohnen die Wilden
Gecko völlig unbeeindruckt von Faunians Gefühlen einen weiteren Sprung tat. Sekunden später war er verschwunden, in Schlangenlinien am Stamm hinaufgelaufen, auf der Flucht vor einem dunkelblauen Vogel mit mächtigen Schwingen, der, lautlos von Ast zu Ast springend, bis unmittelbar vor die Eindringlinge gelangt war, dort einen Augenblick verharrte und dann mit hartem Kollern über die kleine Lichtung flatterte, Menschen und Mornen seinen Unwillen über ihre Anwesenheit mitteilend.
Faunian war froh, als sich die Haube des Gravitracs wieder über ihm schloß. Diese von Leben überquellende Welt bereitete ihm körperliche Pein. Sie bewies das Gesetz des Kaltos auf frappierende Weise.
Wieder spielten die Reflexe der Sonne über das Fahrzeug. Wieder zog es in einer verwickelten Fahrkurve unter den Bäumen entlang. Der Tentakel maß und rechnete, berechnete Gefahren und suchte ihnen auszuweichen. Mit großer Sicherheit hatte er bisher jede Berührung mit einem der Bäume vermieden. Immer wieder schlängelte er sich an ihnen vorbei.
Faunian zuckte zusammen, als das Fahrzeug plötzlich stoppte. Sorgenvoll blickte er nach oben, aber dort schien alles ruhig. Dann sah er den ausgestreckten Arm Karin Bachfelds und hörte ihren Ruf.
Nur wenige Meter vor ihnen huschte ein schlanker, gefleckter Körper durch das Dickicht, die Tatzen warfen Laub auf. Am Rande einer mit kräftigem Bodenwuchs bestandenen Lichtung verharrte das Tier und blickte sich nach den Eindringlingen um. Der Gravitrac fuhr weiter.
Das Tier verschwand mit einem mächtigen Satz im Unterholz und tauchte Sekunden später bereits in luftiger Höhe an einem der braunen, mit Lianen völlig umschlungenen Bäume auf. Fauchend blickte es auf das Fahrzeug, stutzte, als horche es angespannt, und verschwand mit einem Riesensprung.
Wieder stockte der Gravitrac. Da hörten sie, daß hoch oben in dem trockenen toten Geäst des Baumes ein Rascheln entstand. Faunian sah mit Entsetzen, keiner Bewegung und keines Wortes fähig, wie sich der Koloß zu neigen begann. Er blickte auf Laurentz und sah, daß der andere die Augen zu schmalen Schlitzen zusammenkniff, als könne er mit seinem Blick den vernichtenden Sturz aufhalten. Faunian verfolgte die Bewegung des Baumes weiter. Die weitausladende, nackte Krone drängte sich durch das verfilzte Geäst, tonnenschwere Massen der Schmarotzerpflanzen mit sich reißend.
Erst in diesem Augenblick begann die Warnhupe des Tentakels zu quäken. Die Berechnung des Fallweges schien abgeschlossen, und Faunian schätzte, daß der Baum unmittelbar vor ihnen aufschlagen würde. Schon wollte er aufatmen, da sah er, wie sich die schwingenden Lianen zu spannen begannen, wie sie zerrissen, wie sie dem Urwaldriesen eine andere Richtung gaben. In hellem Entsetzen schlug er die Hände vor das Gesicht.
Er wußte sofort, daß sie verloren waren. Der Tentakel hatte keine Zeit mehr, eine Richtungsänderung einzuleiten, viel weniger, sie durchzuführen. Der Gravitrac würde getroffen werden.
Vielleicht, waren seine letzten Gedanken, würden die Menschen die Verletzungen, die sie zweifellos erhalten würden, überstehen, sie waren schließlich an ihre Atmosphäre gewöhnt, sie aber, die Mornen, würden sich mit den fremden Bakterien infizieren und ihren Planeten nie wiedersehen.
Noch hörte er das Signal des Gravitracs gellen, dann streikte der überlastete Rechner. Das letzte, was er wahrnahm, war eine blitzschnelle Bewegung Aurelhommes, der zur Handsteuerung griff und damit das Fahrzeug zu einem letzten Sprung zur Seite zwang.
Faunians Bewußtsein verging in einem schmetternden Krachen, etwas riß ihm die Maske vom Gesicht, die fremde Luft stürzte brennend in seine Lungen. Den Schlag, der seinen Schädel traf, spürte er bereits nicht mehr.
Aurelhomme sah, daß das Fahrzeug weit genug zur Seite gesprungen war, um nicht mehr unter den massigen Stamm des Baumes zu geraten. Er schloß die Augen, als die weitausladende Krone auf das Verdeck schlug und die Plastikhaube in eine Wolke graupenähnlicher Splitter verwandelte. Dann spürte er einen Schlag auf die Schulter und wunderte sich, daß das alles sein sollte. Ihm kam zum Bewußtsein, daß er einen Schrei gehört hatte, der von Karin Bachfeld stammen mußte: Er fühlte, wie sich sein Herz zusammenzog. Hier und da brach ein kleinerer Ast aus den Wipfeln und stürzte in ihrer Nähe zu Boden. Ansonsten war alles ruhig. Auch Karin Bachfeld hörte er nicht mehr. Neben ihm stöhnte Horst
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