Am Rande wohnen die Wilden
wenn dieser Panther, oder was es sonst war, zurückkommt, dann wirst du ihn mit der Hand erwürgen, was?« fragte Aurelhomme und blickte auf Laurentz hinab.
Der aber schüttelte den Kopf. »Ich hoffe nicht, daß er zurückkommt. Und wennschon, ich könnte bestimmt besser würgen als du.«
Aurelhomme versuchte trotz seiner Schmerzen auf den Galgenhumor des Freundes einzugehen. »Du hast recht«, sagte er. »Und weglaufen kannst du ja ohnehin nicht vor ihm.«
Laurentz verzog das Gesicht zu einem mißlungenen Lachen. »Beeil dich, Jean!« sagte er und reichte ihm die Hand. »Für Karin Bachfeld und die Mornen ist jede Minute wertvoll. Die Mornen sind weder in der Lage, unsere Atmosphäre über einen längeren Zeitraum zu verkraften, noch haben sie einen Abwehrstoff gegen die Bakterien, die sie mit jedem Atemzug einatmen und die dauernd in ihre Wunden geraten.«
Aurelhomme blickte über die Bordwand. Obwohl keiner der Gäste schwerere sichtbare Verletzungen hatte, zwei von ihnen, Lekon und Cosita, schienen sogar völlig unverletzt geblieben zu sein, rührten sie sich nicht, gaben kein Lebenszeichen von sich.
Er konnte sich nicht vorstellen, daß die Luft der Erde, die Faunian und Finetta seit Minuten zu atmen gezwungen waren, einen derartigen Einfluß auf sie haben sollte, zumal sie doch vom Sauerstoffgehalt her durchaus atembar für sie wäre.
Dann hörte er Kann Bachfeld stöhnen. Sie griff unsicher mit beiden Händen nach ihrem Leib, hielt aber die Augen weiter geschlossen.
Da nickte er Horst Laurentz zu, riß sich zusammen und setzte sich in Trab. Der Arm schmerzte, er mußte Umwege laufen, da er bemüht war, sich auf der Spur des Gravitracs zu halten. Außerdem machte er sich eine Menge unerfreulicher Gedanken.
Wieso waren die Mornen bewußtlos geworden? Die Masse der Krone hatte die hinteren Sitze getroffen, auf denen er und Karin sowie Laurentz gesessen hatten. Er selbst war vielleicht noch am besten weggekommen, weil er im entscheidenden Moment über die Lehne nach der Steuerung gegriffen hatte. Waren die Mornen tatsächlich so anfällig, wie es sich jetzt darstellte? Und was war mit Karin Bachfeld? Wie schwer waren ihre Verletzungen? Er vermutete, daß sie innere Verletzungen davongetragen hatte. Das alles beschleunigte seine Schritte, ließ ihn nicht mehr auf die Schmerzen im Schultergelenk achten.
Er machte sich Vorwürfe, daß sie keines der kleinen Handfunkgeräte mitgenommen hatten, sondern ihr ganzes Vertrauen in die Kommunikationstechnik der Mornen gesetzt hatten, die im planetaren Bereich ohne Hilfsmittel auszukommen behaupteten. Nun hatte sich herausgestellt, daß dem nicht so war, aber um welchen Preis?
Der dicht bewachsene Boden des Dschungels ließ keine sehr schnelle Gangart zu. Immer wieder mußte er über Wurzeln und umgestürzte Bäume klettern oder einer sich von einem Baum zum anderen schlingenden Liane ausweichen. Als er ein Stück des Weges abkürzen wollte, blieb er rettungslos im Dickicht hängen und fluchte, weil er kein Messer bei sich hatte. Wer, fragte er sich, sollte auch vermuten, daß ihnen ein derart verhängnisvolles Mißgeschick widerfahren würde, da sie doch die überragende Technik der mornischen Kultur eingesetzt hatten.
Er mußte ein gutes Stück zurücklaufen und verlor wertvolle Minuten, die Karin Bachfeld und den Mornen bei der Behandlung ihrer Verletzungen fehlen konnten.
Es schien ihm, als werde der Urwald in den letzten Minuten immer belebter. Seine Einbildung spiegelte ihm vor, daß Raubtiere auf dem Weg zum Unfallort waren, um die Verunglückten zu überfallen. Er schüttelte den Kopf und versuchte die albernen Gedanken zu vertreiben, aber das Resultat war nur rasender Schmerz hinter der Stirn. Sein Kopf fühlte sich glühendheiß an. Er hatte zweifellos Fieber, schob die Hitze aber auf die ungewohnte Anstrengung des langen Laufes und die feuchte Treibhausluft des Dschungels.
Seinem Gefühl nach war er bereits seit Stunden unterwegs, als zwischen den Stämmen der Bäume ein heller Lichtschein auftauchte: der Rand des Waldes! Er hoffte, daß die Reisbauern, die sie bei der Herfahrt gesehen hatten, immer noch in der Nähe auf ihren Feldern tätig waren. Als er aus dem Dickicht heraustrat, sah er dicht vor sich Menschen mit gelben Reisstrohhüten, und diese Menschen blickten zu ihm herüber.
Da brach Jean-Louis Aurelhomme, von Schmerzen übermannt, zusammen.
SYNTHESE
Wolfram Bracke betrachtete schmunzelnd sein Spiegelbild. Niemand konnte
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