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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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war ihm durch ein buntes Tuch, das er um den Hals trug, aufgefallen, einen schrillen Pfiff aus. Rod folgte dessen Augen mit dem Blick.
    In der Tür stand eine junge, sehr schlanke dunkle Dame in einem nachtblauen Kleid. Sie trug, wie Rod im Dämmerlicht erkennen konnte, das schwarze Haar gescheitelt und zu einem Knoten zusammengenommen.
    Plötzlich stutzte er. Das war doch wohl nicht möglich! Diese elegante junge Frau war Betty, Betty Summer, die in langen Hosen und speckiger Lederjacke Leute mit Auto anhielt. Er sprang auf und eilte ihr um die Tanzfläche entgegen. Unterwegs lief ihm der General zwischen die Beine, und sie hatten Mühe, aneinander vorbeizukommen. Rod bewunderte ihn, wie er das Tablett mit den gefüllten Gläsern ausbalancierte. Dann stand er vor Betty und bot ihr den Arm.
    »Sie sind doch ein Fatzke!« sagte sie, und ihn störte der Fatzke weniger als das Sie.
    Er führte sie durch das Gedränge, aufmerksam darauf bedacht, ihr einen Weg zu bahnen. Der Kellner paßte diesmal auf und trat zur Seite. 
    »Noch einen Whisky!« murmelte ihm Rod zu und verbesserte sich, als sich der Ober vor Betty verneigte. »Zwei Whisky, bitte!«
    Der Kellner blickte ihn an und lächelte, wie es schien, zum erstenmal an diesem Abend.
    Betty nahm in dem großen weichen Sessel Platz. Sie hatte bisher nichts weiter zu ihm gesagt als das mit dem Fatzke, aber Rod wußte, daß damit die Angelegenheit mit den Kleidern so gut wie erledigt war. Sie hatte sie angenommen, ohne sich zu zieren oder ihm Vorwürfe zu machen, wie er es eigentlich befürchtet hatte.
    Er betrachtete ihre langen Beine, die sie wie selbstverständlich übereinandergeschlagen hatte. Sie folgte seinem Blick und lächelte. »Na, zufrieden?« fragte sie und blickte ihn an, bis der Kellner mit strahlendem Lächeln zwei volle, dicke Gläser vor ihnen auf den Tisch stellte.

    Rod tanzte den ganzen Abend mit Betty. Nur einmal hatte der junge Mann vom Nebentisch, der Mann mit dem bunten Tuch, das Glück, sie vor ihm zum Tanz zu bitten. In der darauffolgenden Viertelstunde langweilte sich Rod entsetzlich.
    Auch er war wieder zum distanzierten Sie übergegangen und hatte überhaupt das Gefühl, ein anderes Mädchen vor sich zu haben als vorher im Wagen.
    Gegen Mitternacht lud er sie an die Bar ein und freute sich, als sie ihm den Wunsch nicht abschlug. Sie tranken Sekt, und Rod hatte keinen Blick für die blonde Barfrau hinter dem Tresen. Betty hatte ganz von selbst ihren Kopf an seine Schulter gelegt.
    Die Musiker spielten den Tiger-Blues, und Rod fand, daß er selten so gute Musik gehört hatte. Er nahm sogar in Kauf, daß der fahlblonde, gealterte Playboy am Schlagzeug seine schadhaften Zahne entblößte und mit Inbrunst behauptete: »The Tiger-Lady is crasy, oh, she is crahahasy.«
    Betty zog ihn zur Tanzflache, und Rod hielt ihre Hand fest, als habe er Angst, sie könne in der Menge der Tanzenden verlorengehen. Er spürte den geschmeidigen Körper des Mädchens unter dem dünnen Kleid und druckte sie sanft an sich. Sie sah ihn aus großen Augen an, und er entdeckte einen Schimmer in ihnen, der ihn begeisterte. Sie schob ihn nicht von sich, sondern schien sich eher noch fester an ihn zu schmiegen. Sie tanzten langsam und mit Hingabe.
    Später fiel ihm auf, daß sie immer öfter und manchmal bei den nichtigsten Anlässen zu lachen begann. Dabei legte sie wieder den Kopf an seine Schulter und lächelte ihn an. Sie hatte volle Lippen und weiße, ein wenig große Zähne.
    Es war ein herrlicher Abend.
    Als sie die Bar verließen, stand in der Tür ein großer, vierschrötiger Kerl. Er hatte den Binder heruntergezogen und den obersten Hemdknopf geöffnet. Man hatte den Eindruck, daß es ihm zu heiß sei und er sich auch aus irgendwelchen anderen Gründen nicht wohl fühle. Es schien Rod, als starre er ihn unverwandt und viel zu lange an. Er hätte den Kerl mit einer Handbewegung zur Seite schieben können, zog es aber vor, sich an ihm vorbeizudrücken. Als Betty durch die Tür treten wollte, machte der Vierschrötige von selbst Platz.
    Nach einigen Schritten konnte Rod dem Wunsch, sich nach dem Dicken umzublicken, nicht widerstehen. Ihm schien, als habe er eben mit dem Kellner getuschelt und dabei hinter ihnen hergeblickt. Jetzt standen die beiden zusammen in der Tür und bemühten sich, möglichst unbeteiligte Gesichter zu machen.
    Als Rod und Betty vor der Tür zu Bettys Zimmer angekommen waren, beging Rod eine Dummheit, die er in den folgenden Tagen aus mehreren

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