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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Gründen bereute. In einem Anfall von Wohlerzogenheit wünschte er Betty gute Nacht und ging auf sein Zimmer, obwohl oder gerade weil er erkannte, daß sie das zuallerletzt erwartet hatte.
    Die nächste halbe Stunde brachte er damit zu, sich ihre Gedanken auszumalen, aber er konnte sich nicht darüber klarwerden, ob sie ihn für anständig oder dumm halten würde.
    Als er einschlief, wurde es vor dem Fenster bereits hell. Ihm fiel noch ein, daß er auf seine Träume achten müsse, da das, was man in der ersten Nacht in einem neuen Bett träumt, nach einem alten Volksglauben in Erfüllung gehen sollte. 
     
    Rod boxt gegen Lucky Jenkins. Es ist ein ungleicher Kampf, und er steht auf verlorenem Posten. Das Seil des Ringes schneidet in seinen Rücken und bereitet ihm unsägliche Schmerzen. Die trommelnden Schläge des Zweieinhalb-Meter-Riesen, der vor ihm steht, fühlt er nicht, obwohl sie mit schmetterndem Krachen in der Halle widerklingen. Rods Arme scheinen in einem klebrigen Brei zu stecken. Seine Hände, die den Kopf des turmhoch über ihm stehenden Gegners ohnehin nicht erreichen können, werden kurz vor dem massigen Körper des Weltmeisters auf geheimnisvolle Weise abgestoppt. Dabei scheint Jenkins nicht Jenkins, sondern der Vierschrötige aus der Bar zu sein. Und im Publikum sitzt Betty und hat die Hände vor das Gesicht geschlagen.
    Einer der Schläge des Vierschrötigen fegt Rod von den Beinen. Er bemerkt mit Befremden, daß sich der Ringrichter neben ihn auf den Ringboden setzt und mit der Faust zum kleinen Einmaleins den Takt schlägt. Und er schlägt laut und anhaltend, und er schlägt viel zu schnell. Er muß schon längst bei »neun« vorbei sein.
    Aus dem Publikum aber hört Rod Betty mit völlig veränderter Stimme schreien: »Aufwachen! Mahoney, aufwachen!«
    Und plötzlich weiß er, daß diese groteske Situation keine Wirklichkeit sein kann. Es muß ein Traum sein, und er muß sich zum Aufwachen zwingen.
     
    Er schaffte es tatsächlich, aber der Ringrichter hämmerte weiter, und auch die Stimme, die ihn zum Aufwachen aufforderte, blieb. Rod sprang aus dem Bett und öffnete. Vor der Tür stand der Vierschrötige und hob gerade die Faust zu einem neuen Schlag. Blitzschnell duckte Rod ab, aber der Mahoney-Slow, der als Reaktion einfach kommen mußte, blieb wie im Traum auf halbem Wege stecken, als er merkte, daß die erhobene Hand nicht ihm, sondern der Tür gegolten hatte. Er sah, daß hinter dem Vierschrötigen zwei Polizisten standen, und er begann sich zu wundern, zu gleicher Zeit aber hörte er auch auf, an eine Verwechslung zu glauben.
    Vollends beseitigt wurden seine Zweifel, als der Dicke mit einer Stimme, der er mit äußerster Mühe einen leutseligen Klang zu geben versuchte, fragte: »Mahoney?« 
    Rod nickte.
    »Rodney?« fragte der Dicke weiter und trat ins Zimmer. Die beiden Polizisten kamen näher. Irgendwo auf dem Flur wurde eine Tür geöffnet, und Rod hoffte, daß es nicht die Bettys war. Der Dicke zog einen eingesiegelten Ausweis aus der Jackentasche und hielt ihn Rod unter die Nase. Man konnte nicht erkennen, um was für einen Ausweis es sich handelte, aber das schien angesichts der beiden Polizisten auch nicht nötig. Zu allem Überfluß tauchte nun auch noch Betty, wie er befürchtet hatte, hinter ihnen auf. Sie hatte wieder ihre alte Lederjacke und die farblosen Hosen an. Einer der beiden Polizisten, der sie wohl aus den Augenwinkeln gesehen hatte, trat einen Schritt zurück und stand dadurch hinter ihr.
    Der Dicke mußte seinen Satz wiederholen, denn Rod hatte ihn beim erstenmal nicht verstanden, weil er Betty Zeichen zu geben versuchte, sie solle verschwinden. Ihr Aufzug mußte einfach Verdacht erwecken. Der Dicke wurde stutzig, trat ebenfalls einen Schritt zurück und machte eine Handbewegung, als wolle er eine Fliege in das Zimmer Rods scheuchen. »Herein mit der Lady!« sagte er.
    Als der Polizist das Mädchen am Arm in Rods Zimmer schieben wollte, machte sie sich mit einer Bewegung los, in der Verachtung lag. Sie trat auf Rod zu und fragte: »Was wollen die Kerle von dir?«
    Da er sich die Situation beim besten Willen nicht erklären konnte, zuckte er die Schultern und hoffte, das alles werde sich in kurzer Zeit als Versehen herausstellen. Um so verwunderter war er, als der Vierschrötige ihn aufforderte mitzukommen. Gründe nannte er ihm nicht. Schweigend kleidete sich Rod an.
    Er hätte später nicht sagen können, ob die Beamten auch Betty befohlen hatten, ihnen zu

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