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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Saales stieg der Boden sanft an, ging in eine flache Schale über, die von einer Säule aus kopfgroßen Kristallen überragt wurde, die in vielen Farben schillerten. Wasser sprang in dünnen Fäden aus der Schale, brach sich an den Kristallen und fiel kraftlos zurück, zerfloß in Tausende von flimmernden Tropfen. Über allem wölbte sich eine fugenlose Kuppel aus klarem Plast, die ein gelbliches Licht verstrahlte.
    Faunian stellte das Menü zusammen, und wie bei allem, was er tat, ging er dabei sehr exakt vor. Die Grundlage zur Auswahl bildete ein kleines Täfelchen, auf dem die Leistung, die der Körper seit der letzten Nahrungsaufnahme hatte vollbringen müssen, aufgezeichnet war. Erst in zweiter Linie ließ er sich von seinem Geschmack leiten. Ein Seitenblick belehrte ihn, daß Cosita, und er hätte sich gewundert, wenn es anders gewesen wäre, genau entgegengesetzt verfuhr. Sie ließ sich von ihrem Hunger leiten und richtete sich erst in zweiter Linie nach ihrem Leistungs-Schreiber. Ein wenig beneidete er ihre unkomplizierte Art, tröstete sich aber schnell damit, daß der Tentakel ausgezeichnete Speisen servierte.
    Als sie nach dem Essen ihren Wohnkomplex erreichten, verabschiedete er sich von Cosita. Sie war einen Moment lang verwundert, weil sie sich vorgenommen hatten, den Abend gemeinsam zu verbringen, aber Faunian fühlte sich abgespannt, und außerdem hatte er am anderen Tag eine anstrengende Sitzung im Rat vor sich.
    Doch zur Ruhe kam er auch jetzt noch nicht. Als er seine Schlafkabine betrat, schaltete sich der Visomat ein und überspielte eine aufgezeichnete Sendung. Es handelte sich um den Dank des Rates für den Hinweis auf die Algenkolonie und um eine Übertragung von deren Beseitigung. Faunian streckte sich auf der Liege aus und verfolgte die Bemühungen der ausgesandten Gruppe mit Interesse. Die fünf Biologen hatten die verseuchte Stelle durch einen Strahlenvorhang abgeschirmt und den etwa handtellergroßen häßlichen Fleck mit Hilfe von Hochfrequenzvibratoren von seiner Unterlage gelöst. In einem kleinen Behälter waren die Algen sorgfältig zerstrahlt worden. Die zutage tretende helle Betonfläche war mit einer schnell aushärtenden dünnen Schicht abgedeckt worden.
    Faunian wußte jedoch, daß es bereits zu spät war. Die ungeheure Vegetationskraft der Pflanzen hatte mit Sicherheit ihre Schuldigkeit getan.
    Ihm kam der Gedanke, dem Rat vorzuschlagen, den mannigfachen Überwachungs- und Informationsaufgaben der Tentakel eine weitere hinzuzufügen. Dann würde der Tentakel die Umgebung überwachen und freilebende Pflanzenherden sofort und restlos vernichten. Er seufzte, wenn er an die Sitzung am nächsten Tag dachte, und ihm fiel ein, daß er versäumt hatte, sich eingehend über das zur Debatte stehende Problem zu informieren. Eine Zeitlang kämpfte er mit dem Gedanken, sich über den Tentakel alle Informationen überspielen zu lassen, aber schließlich entschloß er sich, den Anstrengungen des Tages nicht noch eine weitere hinzuzufügen. Er war müde.
    Trotzdem dauerte es lange, ehe er den verdienten Schlaf fand. Er mußte die Amplitude des Schlafemitters auf nahezu größte Intensität stellen lassen, bevor er einschlief.
    So kam es, daß der Tentakel ihn am Morgen zweimal rufen mußte, ehe er erwachte. Das war ungewöhnlich und alarmierend. Es schien ihm notwendig, sich einem Diagnoseautomaten zu stellen, der ihm Aufschluß über seinen psychischen Zustand geben konnte. Sicher schien, daß es sich um kein körperliches Unwohlsein handelte, denn in diesem Fall hätte der Tentakel bereits die erforderlichen Schritte eingeleitet.
     
    Faunian kam müde und deprimiert zur Sitzung, und er war fast der letzte, der den großen Saal betrat. Cosita begrüßte ihn mit forschendem Gesichtsausdruck, aber er konnte ihre Gedanken nicht ermitteln. Nach kurzer Zeit war der Saal bis auf den letzten Platz gefüllt. In der ersten Reihe erhob sich der alte Perkon. Er blickte über die Versammelten, strich sich des Emitternetz auf seiner faltigen Stirndecke glatt und hüstelte. Perkon sechs war einer der ältesten Wissenschaftler Morns, und es war mehr als einmal vorgekommen, daß er sich in krassen Widerspruch zu der Auffassung der jungen Generation stellte, zu der auch 
    Faunian gehörte. Mit Sicherheit würde er versuchen, auf der heutigen Sitzung einen Seitenhieb gegen die Vernichtung der Algen zu führen. Perkon war Biologe, und zwar Biologe aus Leidenschaft. Seine Gedanken waren knapp und präzise,

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