Am Rande wohnen die Wilden
bestünde, was nach dem letzten Stand der Kosmologie mehr als unwahrscheinlich war. Der Bolide flog mit ungeheurer Geschwindigkeit nur etwa eins Komma drei Grad südlich der Tangente Tycho-Ziolkowski und schickte sich damit an, vorausgesetzt er behielt seine Bahn bei, in einer Höhe von etwa achttausend Metern über Luna vier hinwegzurasen und, von der Masse des Mondes nur unwesentlich abgelenkt, über der Ostsowjetunion in die Atmosphäre einzutauchen. Bei seiner jetzigen Geschwindigkeit würde er die Strecke Mond-Erde in weniger als drei Stunden zurückgelegt haben, und es würde kaum etwas geben können, das ihn veranlaßte, Bahn oder Geschwindigkeit zu verändern.
Eigentlich gab es nur zwei Möglichkeiten. Entweder der Bolide würde bei seinem Auftreffen auf die Atmosphäre in Trümmer zerreißen und seine Brocken über weite Landstriche verstreuen, oder aber, er würde die Atmosphäre als glühender Ball aufwirbeln und nach etwa einem Umlauf um den Planeten in der Nähe der Antillen ins Meer stürzen. Er würde das Wasser durchschlagen und die dünne Erdkruste wie Papier zerfetzen. Ungeheure Seebeben würden die Erde in ihren Grundfesten erschüttern.
Die größte Naturkatastrophe der Menschheitsgeschichte bahnte sich an.
DIE WILDEN
Akul streckte sich auf der Luftliege und starrte an die in milchigem rosa Licht strahlende Decke. Er versuchte sich zu entspannen, sich hängenzulassen, wie er es nannte. Immer, wenn er an Birrha dachte, wurde es ihm weich ums Herz. Ob es Faunian ähnlich erging, wenn sich seine Gedanken mit seiner Gefährtin, mit Cosita, beschäftigten? Oder war Faunian auch innerlich so kühl und beherrscht, wie er sich äußerlich den Anschein gab?
Er wurde nicht ganz klug aus ihm. Faunian war als einer der eifrigsten Verfechter absoluter Rationalität bekannt. Nicht nur einmal hatte er die Rationalität als wichtigstes Instrument der Evolutionsgeschwindigkeit bezeichnet. Und doch schien es Akul, der Kommandant versuche durch konsequentes Handeln seine eigene Unsicherheit zu verbergen. Wie sonst war es zu erklären, daß er daheim auf Morn immer wieder die Einsamkeit der Hügel am Schacht gesucht hatte, daß er sich häufig von den Wassern der kleinen Flüsse faszinieren ließ. Letztlich waren auch diese Flüsse nur noch Relikte vergangener Zeiten. Und spätestens auf dem belebten Planeten der gelben Sonne würde man feststellen können, wie groß die Bremswirkung der Spontanität für eine kontinuierliche Entwicklung war.
Oder würde man dort eine Überraschung erleben?
Vielleicht ließen ihn diese Gedanken nicht los, weil er auf Morn zwei geboren war. Vor Jahrhunderten, kurz nach Beginn der Raumfahrt, war Morn zwei besiedelt worden. Zur damaligen Zeit sollte es dort eine Hölle von Insekten, Sümpfen und undurchdringlichen Pflanzenherden gegeben haben. Und diejenigen, die sich mit der Kultivierung des Planeten befaßten, sollten Leute gewesen sein, die sich vor nichts fürchteten. Trotzdem waren die Bewohner von Morn zwei ihren Brüdern und Schwestern auf dem älteren Nachbarplaneten gegenüber immer benachteiligt gewesen.
Sie hatten einen Evolutionsvorsprung, die Bewohner von Morn drei, hatten ihn immer gehabt, und auch in den letzten Perioden hatte der kältere Planet sie einfach zum Fortschritt gezwungen, dort war man weit schneller vorangekommen auf dem Wege zum Optimum.
Die Bewohner von Morn drei hatten diesen erheblichen Evolutionsvorsprung erreichen müssen, wenn sie auf ihrem Planeten überleben wollten. Ihre technische Entwicklung war schneller gewesen, gesellschaftliche Veränderungen hatten sich rascher vollzogen, und es war kein Wunder, wenn sie auf die Bewohner von Morn zwei ein wenig herabblickten.
Dabei würde Akul, böte man ihm irgendwann eine Arbeit auf Morn drei an, mit Sicherheit Heimweh bekommen. Die Wärme der dunklen Sonne, das Rauschen der vielen Bäche, die die Kraftwerke und Sauerstoffregeneratoren versorgten, würden ihm fehlen. Die wenigen Gewässer auf Morn drei nahmen sich dagegen wie traurige Rinnsale aus.
Und noch eins würde er vermissen. Auf Morn zwei gab es noch einige wenige Pflanzen. Es war zwar kaum zu erklären, warum die Bewohner mit so großer Anhänglichkeit dieses Naturrelikt zu erhalten trachteten, aber es war nun einmal so. Er dachte an die Wasserbottiche, in denen Pflanzen, die fast ebenso groß waren wie er selbst, mit ihren feinfiedrigen Wurzeln Nährstoffe aufsaugten, die ihnen in genau abgemessenen Dosen zugeteilt
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