Am Rande wohnen die Wilden
er wußte, daß es keinen Sinn hatte, gegen eine Entscheidung des Rechners zu opponieren. Seit Jahrhunderten galten diese Entscheidungen, da sie das aus der Abwägung aller Fakten gefundene Optimum darstellten, als unanfechtbar.
Und Bojan glaubte zu wissen, daß sich der Tentakel nur im Sinne Faunians entscheiden konnte.
Der flach gewölbte Rand der schmalen Balustrade, die um den kleinen zylindrischen Raum lief, drückte schmerzhaft gegen die Schulterblätter, aber Bojan spürte kein Unbehagen. Und auch wenn er die Schmerzen in ihrer ganzen Stärke gespürt hätte, er wäre trotzdem nicht von der Stelle gewichen.
Bojan beobachtete das Hirn des Tentakels, diese formlose, matt schimmernde Masse rötlicher Gedächtniszellen, künstlicher Neuronen, die langsam in dem durchsichtigen Behälter mit Nährlösung aufstieg. Faunian hatte es offensichtlich eilig gehabt. Die entscheidende Frage war bereits gestellt.
Bojan hätte nicht zu sagen vermocht, welche Kraft ihn hierhergetriben hatte in die schattenlose, aber schwach beleuchtete Zelle mit dem Hirn des Raumers, dem Hirn, das wichtiger war als seine Besatzung, das als einzige Materie in der Lage war, das notwendige Wissen zu speichern, eine Expedition an den Rand der Galaxis erfolgreich zu beenden.
Wollte er sehen, wie die Entscheidung, die über alles Weitere befand, reifte, oder war es der unausgesprochene Wunsch, das Unmögliche möglich werden zu lassen, den Tentakel zu beeinflussen, und sei es nur durch die unmittelbare Gegenwart seines Widersachers?
Bojan sah, wie das Hirn pulsierte, wie es formlose Fühler und Fortsätze ausstreckte, gleichsam, als taste es nach Informationen. Langsam wechselte die wächsern rötliche Farbe zu einem leuchtenden Rot, das ständig tiefer und tiefer wurde. Immer, wenn Bojan den arbeitenden Tentakel sah, überkam ihn eine Art hilflose Hochachtung.
Der Tentakel schien sich die Entscheidung nicht leicht zu machen, er ließ sehr lange auf sie warten. Im allgemeinen arbeitete das Hirn schnell und präzise, jetzt aber glommen an den Wänden Farben auf, die ineinanderliefen, verschwammen und komplizierte Figuren bildeten, die sich ebenso schnell, wie sie entstanden, wieder auflösten.
Bojan wußte, daß jetzt im Beratungssaal atemloses Schweigen herrschte, daß sie alle wie gebannt auf die große Tafel starrten, auf der der Tentakel seine Entscheidung in wenigen Augenblicken verkünden würde: Blau für Abwarten, Rot für die Landung.
Und er stand hier, mit dem Rücken an die Balustrade gelehnt, und sah die Entscheidung reifen, und er glaubte zu sehen, wie sich das Hirn mit ihr quälte.
Langsam traten die blauen Farbtöne in der Skala zutage, und Bojan wußte, daß der Tentakel seine Forderung ablehnen würde. Er fühlte, wie die Spannung in seinem Inneren wich, und er fühlte auch, daß sie einer tiefen Resignation zu weichen drohte.
Mit zwei Schritten trat er an den Behälter. Ungeschützt lag das Hirn vor ihm. Die Bewegungen der irisierenden Masse waren langsamer gworden, matter, sie schienen gehemmt zu sein, aber die blauen Sektoren leuchteten immer intensiver, immer ruhiger. Langsam und vorsichtig legte er die Handflächen an die kühle Wölbung des durchsichtigen Mantels und spürte das Vibrieren des künstlichen Lebens hinter der dünnen Wandung.
Und ebenso langsam trieb das Hirn einen blau leuchtenden Finger an die glasige Trennwand, schien ihn anzublicken mit diesem Finger, ihn zu warnen, zu warnen vor unüberlegten und gefährlichen Schritten.
Mit einem Ruck hob Bojan die Schultern und legte die Hände, die langen Finger hinter dem Rücken verschränkend, an den Gürtel. Und der bläuliche Auswuchs tauchte zurück in die träge pulsierende Flut des Hirnes. Bojan wußte, daß er auf die Landung würde warten müssen, warten, warten.
Als er den Beratungssaal betrat, erstaunte ihn das Gedankengewirr, das ihm entgegenflutete. Er hatte angenommen, die Diskussion sei nach der Entscheidung des Tentakels bereits beendet, aber er sah sich angenehm überrascht. Das Gegenteil war der Fall.
Faunian war aufgestanden und gestikulierte, eine bei ihm äußerst seltene Erscheinung, und Bojan stellte fest, daß der andere Mühe hatte, sich verständlich zu machen.
Der Saalrechner hatte als nächsten Redner Akul ausgewählt, eine estaunliche Entscheidung, denn der zweite Diskussionsredner hatte so ausgesucht werden müssen, daß seine Meinung der des ersten, also der Bojans, entgegenstand.
Aber schon die ersten Worte Akuls
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