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Am Rande wohnen die Wilden

Am Rande wohnen die Wilden

Titel: Am Rande wohnen die Wilden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Klaus Frühauf
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Vorstellungen hatten diese Fremden von der Erde und ihren Menschen?
    Er schüttelte den Kopf. »Nein«, sagte er mit Nachdruck, »unser Planet ist nicht lebensfeindlich, und wir Menschen sind keine Wilden. Die Erde ist so, wie wir sie uns in Jahrhunderten gestaltet haben, bunt und vielfältig wie wir selbst. Und die Erde bietet alle Voraussetzungen, eine für uns Menschen ideale Welt zu werden.« Er unterbrach sich, versuchte bei den Fremden eine Reaktion auf seine Worte zu erkennen; doch als sie schwiegen, fuhr er fort: »Vielleicht hättet ihr von einer lebensfeindlichen Umwelt sprechen können, wenn ihr hundert Jahre eher gekommen wärt. Damals gab es noch Kriege und Armut, Not und Hunger, alles Dinge, die den Menschen das Leben, ja das Uberleben schwer machten. Aber heute.«
    Rod Mahoney richtete sich auf, blickte in die starren Gesichter der vier Fremden und erklärte ihnen in knappen Worten, daß es auch damals nicht die Erde, sondern diejenigen, die sie rücksichtslos und selbstsüchtig zu beherrschen suchten, waren, die für all das Negative verantwortlich waren. Dann schwieg er und wartete auf eine Antwort. Er war sich nicht sicher, oh sie ihn begriffen hatten, und als sie endlich ihr Schweigen brachen, wußte er, daß seine Vermutung richtig war. »Der Sinn dieser Worte ist uns nicht völlig klargeworden«, sagte die Stimme, »aber wir werden die Gedanken analysieren und sie zu verstehen suchen. Wir werden wahrscheinlich längere Zeit auf eurem Planeten bleiben, um eure Welt kennenzulernen.«
    Rod hatte die Fremden genau beobachtet. Trotzdem war nicht festzustellen, wer von ihnen gesprochen hatte. Weder durch Bewegungen des schmallippigen Mundes noch durch Gesten oder Mimik hatte einer von ihnen zu erkennen gegeben, daß er es war, der sich äußerte. Es war schwer, sich mit ihnen zu unterhalten, da ihre Gesichter keinerlei Regungen ausdrückten. Rod hielt viel von der Sprache der Mienen, und er wollte gern wissen, was seine Partner dachten oder fühlten, und sei es auch nur in groben Umrissen. Hier aber versagte seine Kunst, in Gesichtern zu lesen, völlig. Er sah, wie sich Carrington näher an die Glaswand heranschob.
    »Ich möchte euch bitten, uns zurück zum Ufer zu bringen. Die Menschen werden bereits mit Ungeduld darauf warten, euch zu sehen«, sagte er ruhig, und Rod war erstaunt über die Umsicht, mit der der Inspektor zu Werke ging. Er gestand sich ein, daß er hier eine völlig neue Seite des Dicken kennenlernte, und ihm kam der Gedanke, daß der Chefinspektor mit Carrington keine so schlechte Wahl getroffen hatte, wie er bei seiner Verhaftung hatte annehmen müssen. 
    »...ist es notwendig, daß es schnell zu einer Kontaktaufnahme mit unseren Ratsmitgliedern kommt«, hörte er Carrington die Ansprache beenden.
    Diesmal schwiegen die Fremden nicht lange. »Wir werden euch selbstverständlich sofort zurückbringen, wenn ihr es wünscht«, erklärte die Stimme. »Auch unsere Kommunikationsanlage ist in der Zwischenzeit wieder instand gesetzt worden, so daß jetzt eine Verständigung besser möglich ist.«
    Rod hatte plötzlich den Wunsch, sich der Glaswand zu nähern. Er wußte nicht, warum, aber er fühlte, daß es erforderlich sei, einige Schritte nach vorn zu gehen und die Hand an die durchsichtige Fläche zu legen.
    Als er auf die schlanke Gestalt, die jenseits der Wand ihm am nächsten stand, zutrat, wich sie einige Schritte zurück. Rod spürte Überraschung und Ablehnung, es wirkte wie eine Flucht. Zugleich aber wurde ihm klar, daß er die Gefühle und Wünsche der Fremden zu spüren in der Lage war. Trotz seiner Verwirrung lächelte er. Die Wand erschien ihm weich und schmiegsam, obwohl sie glasklar war.
    »Warum trittst du zurück?« fragte er. »Wir sind Menschen wie ihr, wahrscheinlich mit den gleichen Gedanken und Wünschen. Und vielleicht sind wir euch ähnlicher, als ihr es bisher vermutet habt.«
    Langsam, fast widerwillig ging der Fremde wieder auf die Wand zu. Rod spürte überdeutlich, daß es ihm nicht leichtfiel. Er fühlte aber auch, daß der andere sich überwand, daß er sich zwang, die Hand zu heben und sie gegenüber der dunklen Hand Mahoneys an die Scheibe zu legen.
    Sie standen sich gegenüber, in weniger als einem Meter Abstand, ihre Handflächen trennten nur wenige Millimeter, zwei Welten, eine junge dynamische, deren Entwicklung erst seit kurzem das Wohl ihrer Bewohner anstrebte, und eine alte, abgeklärte, die ihren Mitgliedern seit Jahrtausenden ein hohes Maß an

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