Am Rande wohnen die Wilden
Lebensinhalt bot.
Er fühlte durch die Scheibe hindurch eine mentale Ausstrahlung von enormer Stärke. Bald glaubte er nicht mehr er selbst zu sein, sondern einer der Fremden, sah sich mit ihren Augen, sah seine athletische Figur bis ins Groteske verzerrt, plötzlich wußte er, daß die Fremden es schwer haben würden, sich an den Anblick der Menschen, an ihr Verhalten und ihre Emotionen zu gewöhnen, schwerer, als es die Menschen haben würden, die jahrhundertelang an Götter und ihnen weit überlegene Geister geglaubt hatten.
Dann riß der Kontakt ab. Er betrachtete das Gesicht vor sich, die eigenartige Schönheit des schmalen Kopfes, die lidlosen, schräg stehenden Augen, die in einem kalten Glanz strahlten. Diese Augen waren es, die ihn faszinierten. Sie waren nicht weiß wie die der Menschen, sondern wie von einem feinen bläulichen Netz überzogen, hinter dem geheimnisvolles, tiefes Dunkel lag. Die Pupillen waren groß und schwarz, von keiner Iris umgeben. Fremde Augen, die zu fremden Wesen gehörten.
Auf unerklärliche Weise wußte er, daß ihm eine Frau gegenüberstand. Für einen winzigen Moment schien der Kontakt wiederhergestellt. Er senkte den Blick, ließ ihn über den glatten Overall des vor ihm stehenden Wesens gleiten, einen Overall, der nicht die Spur einer weiblichen Rundung zeigte. Und doch wußte er, daß er eine Frau vor sich hatte. Er hörte eine helle, leise Stimme. Vielleicht spürte er sie auch mehr, als daß er sie hörte.
»Trotz allem, ich bin eine Frau!« sagte die Stimme. Sie klang anders als die, die sie vorher vernommen hatten. »Trotz allem«, hatte sie gesagt. Sie hatte seine Gedanken belauscht. Er fühlte sich ertappt und konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, sie amüsiere sich über seine Verwirrung.
»Ich bin.« Hier folgte eine Bezeichnung, die er nicht verstand. Er vermutete, daß sie ihren Namen genannt hatte, es klang wie Tih-Kla oder ähnlich, die hohe Stimme war schwer zu verstehen. ». die Linguistin der Mornen.« Viel konnte er mit den fremden Begriffen nicht anfangen, aber das schien in dieser Situation auch nicht so wichtig.
»Ich bin Rodney, Rodney Mahoney!« Aus alter Gewohnheit deutete er eine Verbeugung an.
»Rottnä, Rottnä Mehenä!« versuchte die Stimme zu wiederholen, und er mußte über die eigenartige Aussprache lächeln.
Die Gestalt vor ihm legte auch die zweite Hand an die Glasscheibe. Er starrte auf die drei beweglichen Finger, die sich platt an die Wand schmiegten.
»Was ist deine Aufgabe im Rahmen der Entwicklung der Menschen?« fragte die Stimme.
Rod fühlte Unsicherheit. Was sollte er darauf antworten, ausgerechnet er? Sollte er ihr sagen, daß er Computertechniker sei? Zwar war das keine Lüge, aber seine eigentliche Aufgabe war eine ganz andere. Er hatte zu kämpfen, zu kämpfen zum Ruhm der Region, wie es Brewster ausdrückte, indem er ein Zitat aus der Ansprache Sullivans beim ersten großen Kampf oft anzüglich wiederholte. Sollte er diesem schlanken, fremden Wesen sagen, daß es seine Aufgabe war zu kämpfen, seine Kräfte mit anderen Menschen zu messen?
Er brauchte es nicht zu erklären. Sie hatte seine Gedanken schon aufgefangen.
»Du vergleichst deine körperlichen Leistungen mit denen anderer Menschen? Habe ich dich richtig verstanden?« Er nickte, erfreut über die Brücke, die sie ihm gebaut hatte.
»Also eine wissenschaftliche Tätigkeit im Rahmen persönlicher Testreihen?« versuchte sie zu präzisieren.
Rod fühlte das Bedürfnis zu lachen, obwohl er das Ganze durchaus nicht lächerlich fand.
»Warum sollte man das, was ich tue, nicht so nennen?« sagte er. Er nahm sich vor, sich diese Formulierung zu merken. Es war eine ausgezeichnete Umschreibung seines Sportes. »Aber trotzdem trifft es den Kern der Sache nicht ganz«, schränkte er ein.
»Dann sag mir, in welcher Weise deine Arbeit der Verbesserung eures Seins dient«, forderte sie.
Jetzt war er endgültig ratlos. Hatten ihn die Fragen zu Anfang des Gespräches noch amüsiert, jetzt wußte er, daß er den Fremden die Faszination des Sports nie würde deutlich machen können.
Sie bemerkte sein Zögern und neigte ihr Gesicht näher zur Scheibe hin. »Du wirst es mir noch erklären«, sagte sie, und es klang eher wie eine Bitte. »Jetzt bist du zu erschöpft. Der Aufenthalt im Wasser ist über deine Kräfte gegangen.«
Rod schüttelte den Kopf. Sie hatte ihn mißverstanden. Das Schwimmen hatte ihn nicht überanstrengt. Die Kälte war aus seinem Körper
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