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Am Samstag aß der Rabbi nichts

Am Samstag aß der Rabbi nichts

Titel: Am Samstag aß der Rabbi nichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Harry Kemelman
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füreinander», erklärte sie mit
Nachdruck. «Ich war ja auch kein Unschuldsengel, als ich Ike kennen lernte. Ich
hatte schon einiges hinter mir. Und er war der Erste, der wirklich gut mit mir
war … Und ich war gut zu ihm.»
    «Und trotzdem hat er getrunken.»
    «Das hat er schon getan, ehe er mich kannte … Zum Glück»,
fügte sie herausfordernd hinzu. «Sonst hätte ich ihn wohl nie kennen gelernt.»
    «Wieso?»
    «Er hat sich in dem kleinen Hotel einquartiert, wo ich am Zigarettenkiosk
arbeitete. Wie hätte ich je einen Mann wie ihn kennen gelernt, wenn er nicht
zufällig auf einer Sauftour gewesen wäre?»
    «Und glauben Sie, dass Sie das bessere Geschäft gemacht haben?»
    «Das beste Geschäft ist immer, wenn beide Partner das Gefühl
haben, sie seien besser weggekommen.»
    13
    «Ja, hier spricht Ben Goralsky. Okay, ich warte … Hallo,
hallo …»
    Die Stimme am anderen Ende der Leitung sprach jetzt
offenbar mit jemand anderem dort im Zimmer. Dann:
    «Mr. Goralsky? Hier ist Ted Stevenson.»
    «Oh, Ted. Nett, dass Sie anrufen. Wo stecken Sie?»
    «Im Büro.»
    «Am Sonntag? Müsst ihr denn Tag und Nacht schuften?»
    «Wer in unserem Laden mit an der Spitze sitzt, Mr. Goralsky,
der hat keine geregelte Arbeitszeit. Nicht, wenn es um Geschäfte geht. Und falls Sie mal bei uns mitmachen sollten, wird es Ihnen nicht anders ergehen.»
    Goralsky erriet den Zweck des Anrufes. Der Unterton, der in
diesem falls mitschwang, entging ihm keineswegs.
    «Wir wollten schon gestern anrufen», fuhr Stevenson fort, «aber
Sie hatten Ihren Feiertag, und wir nahmen an, Sie wären in der Synagoge.»
    «Nein, ausnahmsweise nicht. Ich war die ganze Zeit zu Hause.
Mein Vater ist plötzlich krank geworden, und in dem Alter …»
    «Oh, das tut mir Leid. Wie geht’s ihm?»
    «So einigermaßen. Aber es war ziemlich kritisch.»
    «Freut mich, dass es wieder aufwärts geht. Grüßen Sie ihn bitte.
Und gute Besserung.»
    «Danke; werd ich gern ausrichten.»
    Die Stimme am anderen Ende der Leitung änderte plötzlich
den Tonfall. «Hören Sie, Goralsky – die Börsenentwicklung Ihrer Aktien im Lauf
der letzten Wochen hat uns etwas … eh, beunruhigt.»
    «Na ja – mein Gott, Ted – Sie wissen doch, wie das ist …
Gerüchte über eine Fusion sickern immer durch. Wir haben hier unser Möglichstes
getan, und soviel ich weiß, haben alle dichtgehalten. Es muss Sie jemand
erkannt haben, als Sie mit Ihren Herren bei uns waren, oder … Irgend so was in
der Preislage. Als ich dann merkte, was los ist – ich dachte, mich trifft der
Schlag. All das ist wohl bei solchen Dingen nicht zu ver…»
    «Doch, Mr. Goralsky, das ist durchaus zu vermeiden. Es ist uns
klar, dass vor einem Zusammenschluss allerlei Gerüchte kursieren und den
Börsenwert der Aktien beeinflussen können. Aber Ihre Aktien sind so steil
gestiegen, dass wir der Sache nachgegangen sind. Wir haben bei guten Freunden
an der Bostoner Börse Erkundigungen eingeholt und erfahren, dass der Grund für
das Anziehen der Aktien nicht das Gerücht über die Fusion mit uns ist, sondern
ein neues Verfahren.»
    «Eh … ja … Aber das war leider falscher Alarm», murmelte
Ben.
    «Das haben wir auch herausgefunden. Natürlich kann so was
vorkommen bei einem Forschungs- und Entwicklungsprogramm. Aber wenn wir den Eindruck
gewinnen würden, dass eine absichtliche Manipulation dahinter steckt, um den Wert
Ihrer Aktien vor dem Zusammenschluß hochzutreiben, dann müssten wir in
Anbetracht dieses … eh … unorthodoxen Vorgehens das ganze Projekt … eh, neu
überdenken.»
    «Das könnte ich Ihnen nicht verdenken, Mr. Stevenson. Aber
ich gebe Ihnen mein Wort, dass …»
    Der andere unterbrach ihn schroff. «Wir sind nicht an
Erklärungen und Entschuldigungen interessiert. Wir wollen von Ihnen etwas ganz
anderes …»
    Als Ben schließlich auflegte, war er schweißgebadet. Eine ganze
Weile blieb er reglos sitzen und starrte das Telefon an.

14
     
    Der Rabbi hatte eigentlich vorgehabt, nach dem Besuch bei Mrs.
Hirsh gleich nach Hause zu fahren. Tief in Gedanken verloren, fuhr er dann aber
in die entgegengesetzte Richtung los, und erst als er sich in dem Gewirr der
engen Gässchen der Altstadt verirrt hatte, bemerkte er seinen Irrtum. Hier kannte
er sich nicht mehr aus; er bog von einer Straße in die andere ein in der
Hoffnung, sich wieder zurechtzufinden. Das Rathaus auf dem Hügel drüben schien
zum Greifen nahe; jene Gegend war ihm vertraut, aber keine der Straßen wollte
dorthin führen.

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