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Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)

Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)

Titel: Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernhard Hoecker
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das?« und habe wohl seinen Unmut am Mast mit dem Union Jack auf dem Flagstaff Hill ausgelassen, indem er diesen zu Fall brachte.
    Etwas verwundert berichtet Jakob, er hätte das gleich mehrmals getan. Keine Ahnung, wie man sich das vorstellen muss. Etwa so?
    »Chef, er liegt am Boden.«
    »Dann hebt ihn wieder hoch, das macht Spaß!«
    »Aber Chef …«
    »Hoch!«
    »Na gut, aber dann wollen wir auch den Ort brandschatzen.«
    »Meinetwegen, dann hab ich aber zwei Mal Hochheben gut bei euch.«
    »Jaaaaa! Jippie!«
    Bei allem Respekt vor Bernhards Vorlieben für digitales Fast-food-Wissen – gelegentlich hat es sich als nützlich erwiesen, einen Berg Papier indie Hand zu nehmen, um ein paar weiterführende Informationen zu erhalten. Die Älteren unter uns nennen das »Buch«. In einem dieser Dinger ist das mehrmalige Umnieten des ollen Flaggenmasts auch näher beschrieben: Das erste Mal ging er am 8. Juli 1844 zu Boden. Ein Verbündeter von Maori-Chef Hono Heke namens Te Haratua hatte diese Aufgabe übernommen. Herr Heke war nämlich ziemlich stinkig, weil nunmehr seit drei Jahren die britische Flagge auf seinem Hügel wehte. Seinen schwelenden Siedlerhass konnte der damalige Erzdiakon mit dem schönen Namen William Williams aber gerade noch durch gutes Zureden beschwichtigen. Am 10. Januar 1845 wurde sein Ärger dann aber übermächtig, und Heke nietete das wieder errichtete Teil persönlich um. Die Briten fanden das irgendwie unpassend und stellten den Mast zum dritten Mal wieder auf. Obwohl sie einen Mantel aus Stahl verwendet hatten, brachte der tobende Herr Heke den überdimensionalen Wimpelhalter noch in derselben Nacht erneut zu Fall. Die Briten waren ob der wiederholten Zermöbelung ihres Hoheitssymbols gar nicht »amused« und stellten selbstverständlich Fahnenstange Nummer vier auf, und diesmal gleich noch einen Haufen Wächter dazu. Letztere waren sozusagen die Leidtragenden am Ende der Fahnenstange, denn im letzten Anlauf kappte der leicht cholerische Maori-Chef nicht nur den Mast, sondern das Wachpersonal gleich mit. Es dauerte ein paar Jahre, bis sich der Dauerbesuch aus Großbritannien wieder zusammengerauft hatte. 1858 stellte man als Zeichen der Aussöhnung einen neuen Mast auf den Berg. Eine Fahne, die Freundschaft symbolisiert.
    An der Kirche in Russell sind noch heute die Einschusslöcher der mastkippenden Kämpfe zu sehen.
    Diese kleine Kirche, auf deren Friedhof laut Inschrift die erste in Neuseeland geborene Weiße beerdigt wurde, ist übrigens die älteste erhaltene und noch genutzte Kirche auf den neuseeländischen Eilanden. Auf der Liste der freundlichen Spender für den Bau des Gotteshäuschens findet sich unter anderem auch der Name von Charles Darwin. Selbiger hatte die Bay of Islands besucht und sich an den blühenden Landschaften und den sanften Hügeln erfreut. Ob er sich durch das Hauen und Stechen der versammelten Seemänner und Maori-Kämpfer zu seinen Evolutionstheorien inspirieren ließ, darüber kann ich nur spekulieren.
    Ich gehe jetzt in den Supermarkt und schaue mal, welches Schwein oder Huhn es als Verlierer der zivilisatorischen Selektion auf meinen Mittagsteller schaffen wird.
    Jedenfalls sind die Einwohner von Russell sich ganz offensichtlich ihrer Geschichte bewusst. Vor ein paar Jahren warfen sich die Einwohner eines Teils der Hafenstraße sogar in historische Kleidung und spielten die Vergangenheit nach. Ich habe ein Schaufenster gesehen, in dem Bilder davon ausgestellt waren. Es handelte sich um altertümliche Klamotten, aber irgendwie sexy. Ich wäre gern dabei gewesen.
    Schließlich war der Hafen auch einst das Rotlichtviertel.
    So, jetzt geh ich aber wirklich schlafen und träume von der Vergangenheit.
    Der Gedanke daran, dass auf der anderen Seite der Erde Jahres- und Uhrzeiten um 180° verdreht sind, drückt sich mir immer noch etwas schwer durch die Synapsen: Während du mit sommerlicher Bettschwere die Segel strichst, war ich gerade dabei, mein Wintergemüse in ein Mittagessen zu verwandeln. Andererseits sind diese zwölf Stunden Zeitverschiebung ungemein praktisch, da die Rechnerei überschaubar bleibt. Zwar überlege ich immer noch, in welche Richtung ich rechnen muss – letztendlich ist es mir aber völlig egal, ob ihr gerade meinen alten Tag beendet hattet oder ich den von euch bereits verbrauchten Vormittag auftrage.
    Schade, dass du die Geschichte über das Grab der ersten weißen Frau nicht erwähnen wolltest. Schließlich ist sie ein Indiz dafür, dass

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