Am schönsten Arsch der Welt: Bekenntnisse eines Neuseelandreisenden (German Edition)
sie gar nicht kannten und ohne den sie trotzdem glücklich waren, rodeten sie über einen längeren Zeitraum geschätzte zehn Millionen Palmen ab. Da die Insel so weit ab liegt, dass Nährstoffe nur in sehr geringen Mengen durch Staub oder Aschewolken über die Luft zugeführt werden, braucht es viele Bäume und deren Wurzelwerk, damit das, was bereits im Boden gebunden ist, nicht weggespült wird. Dieser Wurzelschutz war nun nicht mehr da und es kam zur Erosion. Heute gibt es stattdessen wunderschönes unfruchtbares Wiesengelände mit gerade mal 40 verschiedenen Pflanzenarten.
Zur Ehrenrettung der Osterinsulaner muss man jedoch sagen, dass sie neueren Forschungen nach für das Ökodesaster nicht allein verantwortlich waren. So fand man Bissspuren von Ratten an alten Palmnüssen – ein Hinweis darauf, dass die Schädlinge nicht ganz unbeteiligt am Abbau der Biomasse waren.
Auf jeden Fall wird der sozialromantische Blick auf die »guten Wilden«, die im Einklang mit der Natur ihre Ressourcen schonen, durch diese Anekdoten leicht ein getrübt. Ich neige sogar zu der spitzfindigen Frage: »Sollte es sich bei den Polynesiern vielleicht doch auch nur um Menschen handeln?«
»Was juckt es Neuseeland, wenn sich die Osterinseln nackisch machen?«, fragt man sich jetzt.
Nun, auch auf Neuseeland ist wohl Ähnliches passiert. Die genaue Besiedlung ist unklar, aber man fand Rattenknochen und nicht ursprünglich neuseeländische Samen, die auf das Jahr ab 1280 nach Christus datiert wurden. Und genau in diesem Zeitraum, indem die ersten Menschen wohl die Ratte nach Neuseeland gebracht haben, ist ein großes Aussterben an Tieren und flächendeckende Entwaldung zu verzeichnen.
Neuseeland war für die Ratte quasi ein »All Inclusive«-Urlaub ohne Ende. Und was macht man im Urlaub, wenn man sonst nix zu tun hat? Man vermehrt sich. Alle sieben Wochen verdoppelt sich die Population. Nach drei Jahren wurde so aus einem Pärchen 17 Millionen. Was für ein Weihnachtsfest muss das gewesen sein….
Einer der beliebtesten Bäume für den Bootsbau war der Kauri-Baum. Dass er kaum Äste hatte, und der Umfang des Stammes enorm war, machte ihn zum idealen Material. Trotzdem war die Herstellung eines Kahns aus dieser Pflanze ein ungeheurer Kraftakt für die maorischen Schiffsingenieure. Um einen solchen Koloss in die Horizontale zu zwingen, wurden zunächst mit Beilen und Katapulten tiefe Rillen in den Stamm getrieben. In diesen wurde dann mit Hilfe von kleinen Feuern das Holz bröseliger gemacht, um es danach zu entfernen. Abwechselnd ging es so immer weiter, bis der gefällte Stamm endlich vor den Bootsbauernlag. Ein Experte hatte nun zu beurteilen, welche Seite die schwerere war, um zu verhindern, dass das Boot kurz nach dem Stapellauf gleich kieloben trieb.
Das Aushöhlen des Bootes ging ähnlich vonstatten. Immer wieder wurden Teile des Innenlebens angeflammt, um sie dann mühevoll herauszuklöppeln. Waren diese Arbeiten vollbracht, war es noch einmal mindestens ebenso mühevoll, diesen Rumpf zum Wasser zu bringen. Schließlich standen die besten Bäume nicht unbedingt am Strand, sondern tief im Wald.
All diese Arbeiten waren nicht nur mühselige Plackerei. Der Bau eines Waka war immer auch ein spiritueller Akt. Priester überwachten die Einhaltung der strengen religiösen Regeln – die Tapu 2 – in allen Phasen des Baus. Die Arbeiter durften beispielsweise nur in angemessener Entfernung zum Baum ihre Mahlzeiten einnehmen, das ausgehöhlte Holz wurde in speziellen Feuern verbrannt und sämtliche benutzten Werkzeuge ließ man an der Arbeitsstelle zurück, wenn der Rumpf zu Wasser gelassen wurde.
Ich bin ganz froh, dass es die Vorschläge nicht bis ins Ziel schaffen. Schon mit einem Kanu ist mir die Eskimorolle nicht geläufig, und Geschichten von halb untergegangenen Hochseepaddlern habe ich zwar sehr gerne gelauscht, war aber immer froh, sie selbst nicht erlebt haben zu müssen.
Die Mehrheit der Internetnutzer hat sich für den Vorschlag entschieden: »Versuche, einen der größten Bäume der Welt zu umarmen!«
Somit steht heute überraschenderweise etwas auf dem Programm, was meinen persönlichen Erlebnisvorlieben entspricht: Wald und Bäume. Und das unter Führung eines einheimischen Maori. Das mag pleonastisch erscheinen, aber ich muss die Ureinwohner ja auch hervorheben, denn die spielen hier eine relativ wichtige Rolle.
Wir müssen dafür von Paihia, unserer Nächtigungsstätte, nach Omapere, das 70 Kilometer weiter
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