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Am Seidenen Faden

Titel: Am Seidenen Faden Kostenlos Bücher Online Lesen
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Mama. So ist’s brav.«
    Michelle kam langsam auf mich zu. Sie bewegte ihre Füße so schwerfällig, als watete sie durch Schlamm. Ich packte sie und zog sie an mich, sprechen konnte ich nicht, der Anblick meiner älteren Tochter mit einem Messer am Hals machte mich so hilflos, als wäre ich gefesselt und geknebelt. Wo war die Polizei? War es möglich, daß die Beamten im Streifenwagen Colin Friendly bemerkt hatten, als er sich im Gebüsch versteckt hatte, und vielleicht in diesem Moment Verstärkung anforderten?
    »Wir haben gedacht, Sie wären tot«, sagte Michelle zu Colin Friendly.
    Er lachte. »Tja, das hatte ich gehofft.«
    Sara schrie auf. Neue Tränen schossen ihr aus den Augen.
    »Bitte lassen Sie sie los«, sagte ich, endlich meine Stimme wiederfindend. Sie klang dünn und ängstlich.
    »Sie loslassen?« fragte er ungläubig. »Kommt nicht in Frage. Sie ist einer der Gründe, warum ich hier bin.«
    »Es tut mir leid, Mama«, sagte Sara weinend, doch ihre Lippen bewegten sich nicht.
    Friendly packte sie fester um die Taille. »Ist das nicht süß? Wie die kleinen Mädchen immer nach der Mami weinen, wenn sie in der Patsche sitzen? Wendy Sabatello hat auch nach ihrer Mami
geweint. Und Tammy Fisher genauso. Ach, und die Kleine, für die Sie sich so interessiert haben, Amy Lokash, die hat auch nach ihrer Mami geschrien. Das gibt mir immer einen ganz besonderen Kick, wissen Sie.«
    »Sie sind ein Ungeheuer«, flüsterte ich.
    »Tja, nun, das hast du doch von Anfang an gewußt, Mami, stimmt’s?« sagte er. »Ein Glück für mich, daß Ihre Schwester Ihnen nie geglaubt hat.«
    »Wo ist Jo Lynn?«
    »Die ist noch in Jacksonville. Die Fahrt hierher war ihr zuviel.«
    »Geht es ihr gut?«
    Er grinste. »Ja, glauben Sie denn, ich würde der einzigen Frau, die zu mir gestanden hat, was antun? Der einzigen, die an mich geglaubt und mir bei der Flucht geholfen hat?«
    »Mrs. Ketchum haben Sie auch getötet«, sagte ich, an die Nachbarin denkend, die versucht hatte, ihm zu helfen.
    Aus dem Lächeln wurde ein Lachen. »Ach ja, stimmt.«
    Sara versuchte sich aus der Umklammerung des Killers zu lösen.« Er preßte ihr das Messer noch fester an den Hals, bis ein Blutstropfen unter der Klinge hervorquoll.
    »O Gott!« stöhnte ich.
    »Ja, der gehört auch zu den bevorzugten Nothelfern«, sagte Friendly. »Dauernd hör ich seinen Namen. ›Gott‹ und ›Mami‹ – die liegen so ziemlich Kopf an Kopf.«
    »Warum sind Sie hierhergekommen?« fragte Michelle. »Was wollen Sie von uns?«
    »Ganz schön frech die Kleine, was?« Friendly zwinkerte mir zu und grinste breit. »Ich freu mich schon auf dich, Süße. Ich bin bestimmt dein erster«, fügte er hinzu, während ich gegen einen Brechreiz kämpfte. »Und dein letzter.« Er lachte, seine Macht über uns auskostend.
    Er hat nicht ein einziges Mal gestottert, dachte ich.
    »Deswegen bin ich hergekommen, Schätzchen«, fuhr er fort. »Jetzt weißt du, was ich von dir will. Von euch allen, sogar von der lieben Mami hier.« Seine Stimme war wie ein Lasso, das uns
umfaßte, zusammenband, zu ihm hinzog. »Ich hab im Knast kaum an was andres gedacht. Ihr habt mich am Leben erhalten, könnte man sagen. Euretwegen hab ich nicht aufgegeben. Und natürlich, weil ich mein kleines Schatzkästlein wiederhaben wollte.«
    »Ihr Schatzkästlein«, wiederholte ich, während ich mich fragte, ob die Polizei irgendwo in der Nähe war, und versuchte, Zeit zu gewinnen.
    »Ja, die Schachtel mit meinen ganzen Andenken: Tammy Fishers Fußkettchen, Marie Postelwaites Schlüpfer, Amy Lokashs rote Plastikspange. Ein ganzer Haufen Souvenirs. Ich hab den Kasten im Hinterhof von meiner alten Wohnung in Lantana vergraben. Wird nicht schwierig sein, ihn zu holen, vor allem jetzt, wo die Bullen glauben, daß ich nach Norden unterwegs bin.«
    »Wie sind Sie hierhergekommen?«
    »Na, mit dem knallroten Schrotthaufen von Ihrer Schwester konnte ich nicht gut fahren, das werden Sie verstehen. Da hab ich mir ein Auto ausgeliehen. Der Fahrer hatte nichts dagegen. Wozu braucht’ne Leiche auch ein Auto?« Er grinste breit. »Das ist der Kerl, den sie im Wald gefunden haben. Den sie mit mir verwechselt haben. Wahrscheinlich weil ich von seinem Gesicht nicht viel übrig gelassen hab. Er war so nett, mit mir die Kleider zu tauschen, ehe er abgekratzt ist.«
    Sara sank wimmernd in Friendlys Arme zusammen.
    »Hey, werd mir nicht ohnmächtig, Kleine«, sagte er. »Jetzt noch nicht.« Er zog das Messer bis zu ihrem Kinn

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