Am Strand des Todes
mit ihr geschehen?« fragte er ernst.
»Sie war sehr unglücklich, Robby, und wollte einfach nicht
mehr weiterleben. Kannst du das verstehen?«
Robby nickte bedächtig. »Mir geht es manchmal auch so,
aber dann kommt ein Sturm, und ich fühle mich wieder
besser.«
»Oh, Robby«, schluchzte Rebecca auf und kniete sich neben
ihren kleinen Sohn. Sie zog ihn an sich. »Du darfst so nicht
sprechen! Niemals! Was würden wir denn ohne dich tun?«
Unmutig befreite sich Robby aus den Armen seiner Mutter.
»Es passiert ja nicht oft – und außerdem ist es gar kein so
schlimmes Gefühl – es ist irgendwie aufregend.« Bevor seine
Eltern das Thema weiterverfolgen konnten, stellte er eine
weitere Frage. »Hat Mrs. Shelling denn etwas Böses getan? Ich
meine, wenn sie nicht mehr leben wollte, warum sollte sie
dann?«
Rebecca und Glen blickten sich verstohlen an. Glen wußte,
daß er darauf eine Antwort finden mußte.
»Das ist nun mal keine richtige Lösung«, sagte er zögernd.
»Wenn man ein Problem hat, muß man versuchen, damit
anders fertig zu werden. Sterben ist keine Lösung, für
niemand.«
Der Junge schien damit zufrieden zu sein. Ganz plötzlich
wechselte er das Thema. »Kann ich rausgehen und Snooker
suchen?«
»Nein!« fuhr Rebecca ihn an. Der Gedanke, ihren Sohn an
diesem Strand zu wissen, an dem Miriam Shelling ihre letzten
Stunden verbracht hatte, jagte ihr Entsetzen ein. »Es ist schon
zu spät«, fügte sie hastig hinzu und hoffte, damit ihre erste
Reaktion etwas abzuschwächen. »Ihr solltet beide langsam ins
Bett.«
»Ich werde nachher noch rausgehen und nach ihm schauen«,
versprach Glen. Jetzt mischte sich zum ersten Mal auch Missy
ein.
»Du wirst ihn nicht finden«, meinte sie, »er ist
verschwunden, und wir werden ihn nie mehr sehen.«
»Das sagst du dauernd«, fuhr Robby ihr über den Mund,
»woher willst du das denn wissen?«
»Ich weiß es eben!« wehrte sich Missy mit erhobener
Stimme. Rebecca hätte sich normalerweise eingemischt, aber
dieser Streit zwischen den Kindern war einfach zu viel für sie;
heute war zu viel über sie hereingebrochen. »Warum geht ihr
nicht in euer Zimmer, wenn ihr euch streiten wollt?« meinte sie
verärgert.
Die beiden starrten sie an. Irgendwie schienen sie schockiert,
daß ihre Mutter sich heute nicht als Vermittlerin einschaltete,
und verschwanden schmollend in ihrem winzigen
Schlafzimmer. Kaum waren sie verschwunden, wandte sich
Rebecca an Glen. »Und du gehst heute abend auch nicht mehr
raus!« sagte sie mit Nachdruck.
»Ich fürchte, es geht nicht anders«, widersprach Glen, »ich
hab’s Robby eben versprochen. Im übrigen gehen wir jetzt
schon monatelang abends am Strand spazieren. Du weißt so gut
wie ich, daß das überhaupt nicht gefährlich ist.«
»Das war vor gestern abend«, sagte Rebecca und schauderte,
»dadurch hat sich alles geändert.«
»Nichts hat sich geändert, Rebecca«, meinte Glen sanft und
legte ihr die Hand auf die Schulter, wodurch er sie zwang, ihn
anzusehen. »Miriam Shellings Probleme haben doch nichts mit
uns zu tun, genausowenig können wir etwas dafür, daß sie sich
das Leben genommen hat.« Mit einem verkrampften Lächeln
fuhr er fort: »Zumindest wissen wir jetzt worauf sie da draußen
gewartet hat.« Er begann sich den Mantel anzuziehen.
»Bitte…«, versuchte ihn Rebecca doch noch zurückzuhalten,
»warte doch wenigstens, bis ich mich wieder beruhigt habe.«
Glen warf den Mantel zur Seite und setzte sich neben Rebecca
auf die Couch. Er legte den Arm um ihre Schultern und zog sie
an sich. Auch aus dem Schlafzimmer der Kinder hörte man
jetzt nichts mehr. Stille senkte sich über die einsame Hütte am
Strand.
»Laß uns einen Spaziergang machen«, schlug Brad vor, als sie
das Speisezimmer verließen. »Ein wundervoller Abend – kaum
Wind und ein voller Mond.« Er grinste anzüglich. »Außerdem
wäre es mal wieder Zeit für ein romantisches
Strandabenteuer.«
Elaine sah keinen Grund zu protestieren, was sie vielleicht in
letzter Zeit etwas zu häufig getan hatte. Es war Zeit, sich
wieder wie eine Erwachsene zu benehmen. »Deine beste Idee,
seitdem wir hier angekommen sind«, zwinkerte sie ihm zu.
»Ich hole unsere Mäntel.«
Ein paar Minuten später waren sie am Strand, und während
sie das Mondlicht im Wasser schimmern sah, war sie froh, ihre
Befürchtungen für sich behalten zu haben. Das leise Rauschen
der Brandung machte sie ruhig, und sie griff nach Brads Hand.
»Laß uns zu unserem Haus rausgehen«, schlug sie
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