Am Strand des Todes
vor, »in
diesem Licht wird es wundervoll wirken.«
Gemächlich gingen sie durch den milden Abend.
Unmittelbar bevor sie die Sod Beach erreichten, traten sie noch
vorsichtiger auf, um vielleicht noch einen Blick auf die
Otterfamilie erhaschen zu können. Doch sie wurden enttäuscht.
Dafür knackte es plötzlich über ihnen in den Ästen, und sie
sahen, wie sich die Silhouette einer riesigen Eule vom Dunkel
des Stamms löste, in weitem Bogen nach unten schwebte und
dann mit kräftigen Flügelschlägen über dem Strand an Höhe
gewann.
»Die Ottern werden wir nicht mehr zu Gesicht bekommen«,
meinte Brad, »sie haben sich und die Kleinen irgendwo
versteckt.«
»Die ist ja gewaltig«, sagte Elaine und blickte der Eule nach,
»ihre Spannweite dürfte um einen Meter achtzig sein.«
»Das gibt ihr ein enormes Gleitvermögen, so daß ihre Beute
keinerlei Warnung erhält, bevor sie sich herabstürzt.«
Sie umrundeten die Landspitze, und Sod Beach lag plötzlich
in ihrer ganzen Schönheit vor ihnen. Die kräftigen Farben des
Tages waren zu Hell-Dunkel-Reflexen geworden. Der Sand
schien im silbernen Licht des Mondes zu fluoreszieren, und die
Treibholzbarriere entlang dem Strand schimmerte wie
Elfenbein. Und inmitten dieser Pracht stand das alte Haus wie
unnahbar in seine Schatten gehüllt.
»Das ist wie eine Fata Morgana«, flüsterte Elaine, »ich habe
noch nie etwas so Schönes gesehen.«
Brad zog seine Frau eng an sich. So standen sie lange Zeit
und genossen die fast überirdische Szenerie, die durch die
sanfte Dünung untermalt wurde. Erst dann traten sie auf den
Strand hinaus und hinterließen eine Doppelreihe von
Fußabdrücken in dem sonst unberührten, feuchten Sand.
Sie umrundeten das Haus in einem weiten Bogen, als ob sie
vermeiden wollten, aus der Nähe die Spuren seines Alters und
der Witterung wahrnehmen zu müssen. Auch machte keiner
den Vorschlag hineinzugehen – die Magie dieser Nacht hätte
unter den Überbleibseln ihrer Vorgänger zu sehr gelitten. Statt
dessen gingen sie hoch zur Treibholzbarriere, wo sie sich, ohne
ein Wort zu sagen, eng nebeneinander im Sand niederließen.
»Ich nehme alles zurück«, unterbrach Elaine schließlich ihr
Schweigen, »das hier ist das Paradies.«
Brad griff in die Tasche und zog Pfeife und Tabak heraus. Er
stopfte die Pfeife und setzte sie in Brand. Sein Blick ging weit
aufs Meer hinaus.
»Ich habe nachgedacht«, sagte er plötzlich, »ich werde die
Zielrichtung des Buchs ändern.«
Elaine rückte noch enger an ihn heran. »Was hat dich dazu
gebracht?«
»Eine ganze Reihe von Dingen – die Gegend hier, Robby
Palmer…«
»Robby Palmer?« Elaine setzte sich auf und warf ihrem
Mann einen prüfenden Blick zu. »Das ist aber ein weiter Weg
vom Biorhythmus zu Robby Palmer!«
»Nicht unbedingt. Diese Gegend hier strahlt etwas aus, das
alle zu berühren scheint – so oder so. Vielleicht wirkt sie auf
den Biorhythmus, wer weiß. Wenn ich das herauskriegen
könnte, wäre das Stoff für ein großes Buch – vor allem, wenn
sich das alles am Beispiel Robby Palmers erläutern ließe. Stell
dir mal vor – eine bestimmte Gegend, so wie diese hier, wirkt
ganz direkt auf ihre Bewohner ein. Leute wie Miriam Shelling
und vielleicht auch dieser Harney Whalen werden dadurch
aggressiv bis zur Selbstzerstörung, während Robby Palmer hier
zur Ruhe kommt…«
»Und wie schön für dich, daß Robby von jetzt an auch noch
unser Nachbar ist«, neckte ihn Elaine.
Brad überhörte es. »Es könnte ein wirklich aufschlußreiches
Werk werden – in vielerlei Hinsicht.«
»Du meinst, ein Bestseller?«
»Nicht nur ein Bestseller, auch ein Buch, das in sich seinen
Wert hat. Aber wenn ich damit auch noch Geld verdienen
würde…« Seine Stimme verhallte, als ob er nicht wagte, diesen
Traum auszusprechen.
»Ich mag diese Idee vorläufig noch nicht so besonders«,
meinte Elaine, »aber tu du ruhig, was du für richtig hältst.« Sie
legte ihren Arm um ihn und drückte ihn an sich. »Das tust du ja
immer.«
»Das klingt so, als ob ich ein Despot wäre«, erwiderte Brad
lächelnd.
Elaine mußte ebenfalls lächeln; sie wußte, daß Brad es
spüren würde, auch wenn er es nicht sah. »So habe ich das aber
nicht gemeint. Denn wenn du auch meist tust, was du für
richtig hältst, muß ich doch zugeben, daß es meistens auch für
mich das Beste ist.«
»Weißt du, was du bist?«
»Was denn?« fragte Elaine.
»Eine hoffnungslos unemanzipierte Frau.«
»Du hast mich durchschaut«, lächelte Elaine,
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