Am Strand
warum das so ist, aber ich glaube nicht, daß sich daran etwas ändern wird. Jedenfalls nicht sofort. Zumindest kann ich es mir nicht vorstellen. Und wenn ich dir das jetzt nicht sage, werden wir uns ewig damit herumschlagen, und ich würde dir eine Menge Kummer bereiten -und mir auch.«
Als sie diesmal innehielt, blieb er stumm. Er stand zwei Meter von ihr entfernt, völlig still, kaum mehr als eine Silhouette. Sie fürchtete sich und zwang sich weiterzureden.
»Vielleicht sollte ich in psychologische Behandlung gehen vielleicht sollte ich auch lieber gleich meine Mieter umbringen und meinen Vater heiraten.«
Der tapfere kleine Scherz, den sie sich zurechtgelegt hatte, um die Wirkung ihrer Worte abzuschwächen vielleicht auch, um weniger weltfremd zu Klingen, entlockte Edward keinerlei Reaktion. Ebr blieb unergründlich, eine zweidimensionale, vollkommen reglose Gestalt vor dem Meereshintergrund. Jij t einer unsicheren, flatterigen Bewegung hob sie die Hand an die Stirn, um sich eine unsichtbare Strähne aus dem Gesicht zu streichen. Vor lauter Nervosität begann sie, schneller zu sprechen, ohne jedoch dabei ihre präzise Betonung zu verlieren. Wie ein Schlittschuhläufer auf dünnem Eis erhöhte sie das Tempo, um nicht einzubrechen. Sie fegte durch ihre Sätze, als ergäbe allein die Geschwindigkeit schon einen Sinn, als könnte sie ich-ren Mann an Widersprüchen einfach vorbeizerren, ihn so rasch um die Kurven ihrer Absichten schwingen, daß er keinen Einwand zu fassen bekam. Doch weil sie die Worte nicht verschliff, klang sie ziemlich forsch, obwohl sie sich eigentlich verzweifelt fühlte.
»Ich habe lange darüber nachgedacht, und was ich sagen will, ist nicht so dumm, wie es sich vielleicht anhört. Beim ersten Mal, meine ich. Wir lieben uns - das ist eine Tatsache. Keiner von uns beiden zweifelt daran. Wir wissen, wie glücklich wir uns machen können. Und jetzt steht es uns frei, unsere eigene Wahl zu treffen, unser eigenes Leben zu führen. Niemand kann uns mehr sagen, wie wir zu leben haben. Frei und unabhängig! Heutzutage gibt es alle möglichen Arten des Zusammenlebens, die Menschen leben nach ihren eigenen Regeln und Maßstäben, ohne jemanden dafür um Erlaubnis bitten zu müssen. Mummy kennt zwei Homosexuelle, die wie Mann und Frau in einem Apartment wohnen. Zwei Männer, in Oxford, in der Beaumont Street. Niemand verliert ein Wort darüber. Beide unterrichten übrigens am Christ Church College. Kein Mensch macht ihnen deshalb Ärger. Und wir können uns auch unsere eigenen Regeln schaffen. Nur weil ich weiß, wie sehr du mich liebst, kann ich dir das sagen. Was ich meine, ist Folgendes - Edward, ich Hebe dich, aber wir müssen nicht wie alle anderen sein, kein Mensch, überhaupt niemand braucht zu wissen ..., was wir tun oder nicht tun. "Wir könnten Zusammensein, zusammenleben, und wenn du wolltest, wirklich wolltest, meine ich, wenn es dann mal passiert, und natürlich wird es dazu kommen, dann würde ich das verstehen, mehr noch, ich würde es wollen, das würde ich, weil ich möchte, daß du frei und glücklich bist. Ich wäre niemals eifersüchtig, solange ich wüßte, daß du mich liebst. Ich würde dich lieben und Geige spielen, mehr wünsche ich mir in meinem Leben nicht. Ehrlich. Ich will einfach nur bei dir sein, für dich sorgen, glücklich mit dir sein, mit dem Quartett arbeiten und dir eines Tages etwas vorspielen, etwas so Schönes wie das Stück von Mozart, und das in der Wigmore Hall.«
Sie hielt abrupt inne. Sie hatte eigentlich nicht über ihre musikalischen Pläne reden wollen und glaubte, daß es ein Fehler gewesen war.
Er stieß einen Laut zwischen den Zähnen hervor, mehr ein Zischen als ein Seufzen, und ehe er zu reden begann, entwich ihm ein leises Japsen. Seine Empörung war so groß, daß sie wie ein Triumph klang. »Mein Gott, Florence! Verstehe ich dich richtig? Du willst, daß ich was mit anderen Frauen habe? Stimmt das?«
»Nicht, wenn du nicht willst«, antwortete sie ruhig.
»Du sagst mir, ich könnte es mit jeder anderen machen, nur nicht mit dir?«
Sie gab keine Antwort.
»Hast du eigentlich vergessen, daß wir heute geheiratet haben? Wir sind keine zwei alten Schwuchteln, die heimlich in der Beaumont Street Zusammenleben. Wir sind Mann und Frau!«
Die untere Wolkendecke riß wieder auf, und obwohl kein direktes Mondlicht einfiel, wanderte ein schwacher, von einer höheren Wolkenschicht gedämpfter Schimmer über den Strand und erreichte auch das Paar, das
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