Am Tor Zur Hoelle
die Zerstörung des Regenwaldes. Wie ich auf meiner Pilgerreise durch die Orte von Folter und Terror bezeugen konnte, können Gesetze schnell so ausgelegt werden, dass sie das Netz breiter spannen, so dass sich diejenigen darin verfangen, die der Vernichtung anheim fallen sollen.
Ich fühle mich überwältigt, von diesem andauernden Kreislauf des Leidens Zeuge zu sein; es erfüllt mich mit Furcht und einem Gefühl der Ohnmacht. Ich frage mich wieder und wieder: »Also â was kann ich tun? Was ist zu tun?«
Während dieser Pilgerreise besuchten wir die Orte, an denen sich Synagogen befunden hatten, die in der Reichspogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstört worden waren, und hielten eine Andacht ab; wir besuchten jüdische Friedhöfe, die erhalten waren und noch genutzt wurden, und hielten Andachten ab; wir besuchten ehemalige Kriegsgefangenenlager und hielten Andachten an den Orten von Massengräbern ab; wir besuchten Nervenheilanstalten, die als »Euthanasie«-Zentren genutzt wurden, und hielten Andachten in Gaskammern und auf Exekutionsplätzen ab; wir besuchten ehemalige Gestapo-Hauptquartiere und hielten Andachten ab; wir besuchten die Orte, an denen sich ehedem jüdische Schulen befunden hatten, und hielten Andachten ab; wir besuchten Sammelorte für Zeugen Jehovas, Homosexuelle, Sinti und Roma, politische Gefangene und hielten Andachten ab. Wir suchten Kirchen auf, deren Leitungen mit der NSDAP gemeinsame Sache gemacht und sich blind gestellt hatten, statt einzuschreiten; sie waren Komplizen bei Unterdrückung, Folter und Mord, und wir hielten Andachten ab.
Wir begegneten Menschen aller sozialen Schichten und luden sie ein, mit uns zu sprechen, uns ihre Geschichten zu erzählen, damit wir sie anhören und von ihnen lernen konnten. Wir besuchten wiedergegründete jüdische Gemeinden. Wir sprachen mit Skinheads, die sich als Neo-Faschisten verstehen, und traten mit allen in Kontakt, die sich darauf einlassen mochten. Wir hörten uns ihre Geschichten an und reagierten darauf, wenn die, die sie uns erzählten, darum baten. Wir reagierten als Menschen, die Zeugnis ablegen, um die Geschichten anderer zu erfahren.
Auf dieser Pilgerreise wurde mir auÃerdem deutlich bewusst, dass ich nicht weiÃ, was ich getan hätte, wenn ich mit den Wahlmöglichkeiten konfrontiert worden wäre, mit denen die Menschen angesichts des Nationalsozialismus konfrontiert waren. Ich weià jedoch, was ich getan habe, als ich vor ähnlichen Wahlmöglichkeiten während der US-amerikanischen Intervention in Vietnam stand. Ich habe mich freiwillig zum Kriegsdienst gemeldet. Ich habe mich freiwillig gemeldet, um nach Vietnam zu gehen, und ich habe getötet und zerstört, was ich als anders zu betrachten gelernt hatte. Ich weià nicht, was ich als Lagerinsasse getan oder wie ich mich verhalten hätte. Doch ich weiÃ, was ich getan habe, als ich begriff, dass die Propaganda, mit der ich gefüttert worden war, nicht der Wahrheit entsprach. Ich fuhr fort, zu kämpfen, zu töten, zu zermalmen und zu vernichten, und rationalisierte mein Tun, indem ich erklärte, es diene dazu, andere zu schützen. Vielleicht wäre ich der Gefangene in Buchenwald gewesen, der einen anderen um einiger Kartoffelschalen willen erdrosselt hätte.
Womit ich auf dieser Pilgerreise immer wieder konfrontiert wurde, ist die Komplizenschaft, die auf allen Ebenen des gesellschaftlichen Gewebes unumgänglich ist, um derartige Gräuel zu planen und auszuführen. Und mit meiner Beteiligung an solchen Gräueln und mit der Subtilität, mit der solche Gräuel ihren Anfang nehmen.
Es stellt sich die Frage: »Wie sieht die angemessene Reaktion auf diese Ereignisse in unserem Alltagsleben aus?« Ich kann nur für mich sprechen â mir scheint die einzig mögliche Antwort in jedem Fall »Null Toleranz!« zu sein. Null Toleranz, egal auf welcher Ebene und in welchem Ausmaà mir Rassismus, Diskriminierung, selbstherrliche Willkür oder Machtmissbrauch begegnen.
Die nächste Frage ist sodann, wie wir uns in dieser Haltung bestärken und sie umsetzen können. Die Antwort lautet: »Indem ich mein Leben anders lebe, die spirituelle Wirklichkeit des Lebens lebe, dieser Ãberzeugung treu bleibe und von allem, was sich anbietet, um uns auf diesem Weg zu unterstützen, Gebrauch mache.« Meditation, der Prozess, sich selbst gründlich zu
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