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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Knarren und Ächzen der schwer beladenen Planwagen und das Mahlen der Räder, die selbst in dem harten Boden tiefe Spuren hinterließen, begleiteten den Treck durch das Niemandsland, das auf den Landkarten nur als weißer Fleck verzeichnet war. Von den wenigen Frauen des Wagentrecks saß nur Molly auf dem Kutschbock, in ihrer Lederkleidung war sie von den Männern kaum zu unterscheiden. Die anderen Frauen hatten sich mit ihren Kindern unter die Planen ihrer Wagen verkrochen.
    Zehn Tage sparten sich die Händler auf dieser Abkürzung durch die Wüste, ein entscheidender Vorteil gegenüber den Trecks, die sich an die alte Route über die Berge hielten, dabei ständig in der Nähe eines Flusses blieben und die Indianer nicht zu fürchten brauchten. Dafür war der Trail kurvenreicher und der gefürchtete Raton-Pass so steil, dass ihn selbst sechsköpfige Ochsengespanne nur mit großer Mühe bewältigten. Molly hätte den Umweg gerne in Kauf genommen, war aber gezwungen, sich der Entscheidung der Händler zu beugen, die nur an ihrem Profit interessiert waren und die zusätzlichen Strapazen und Gefahren bereitwillig in Kauf nahmen. Je weiter sie in die Wüste vorstießen, desto geringer wurde allerdings ihre Bereitschaft. Als ihr Wasser knapp wurde, wünschte sich mancher, er hätte die Bergroute genommen.
    Molly teilte sich ihr Wasser klug ein, beobachtete jedoch misstrauisch, wie verschwenderisch Mitch Miller mit ihren Vorräten umging und sogar die Ochsen vernachlässigte. Seinen Ärger bekämpfte er mit Whiskey. Als er während einer Rast betrunken vom Kutschbock stieg, vor Schwindel in die Knie ging und sich das Wasser aus dem Vorratsfass mit der Kelle über den Kopf schüttete, verlor Molly die Beherrschung. Sie schnappte sich das Sharps-Gewehr, das er auf dem Kutschbock liegen gelassen hatte, und richtete den Lauf der schweren Waffe auf den Betrunkenen. »Aufhören! Sofort aufhören!«, fuhr sie ihn an. »Oder wollen Sie morgen früh ohne Wasser dastehen?«
    Miller war viel zu betrunken, um ihr zu gehorchen. Er tauchte die Kelle in das Fass, goss sich erneut das kostbare Wasser über den Kopf und grinste nur, als Molly wütend auf ihn zutrat. »Vergessen Sie nicht, den Hahn zu spannen, Lady, sonst geht die Knarre nicht los! Hier ... wollen Sie auch einen Schluck?«
    Molly hätte natürlich niemals auf den Mann geschossen und war froh, als Roy Calhoun auftauchte und ihr das Gewehr abnahm. »Sie haben gehört, was die Lady gesagt hat«, wies er den Kutscher zurecht. »Wasser ist in dieser Gegend viel zu kostbar, um es auf diese Weise zu vergeuden.« Er warf die Waffe auf den Kutschbock. »Und wenn ich Sie noch mal betrunken antreffe, gehen Sie den Rest der Strecke zu Fuß, haben Sie mich verstanden?« Er reckte sich aus dem Sattel und zog die Whiskeyflasche hinter dem Kutschbock hervor, zerschlug sie an der Wagendeichsel und wandte sich noch einmal an Miller. »Und ich erbitte mir ein bisschen mehr Respekt gegenüber der Lady!«
    »Sie können mich mal!«, fauchte Miller zurück. Aber er befolgte den Befehl des Wagenbosses, torkelte zum Heck des Planwagens und kletterte mühsam auf die Ladefläche. Wenige Sekunden später hörte man sein Schnarchen.
    »Tut mir leid, dass ich keinen anderen Kutscher zu Ihnen schicken kann«, entschuldigte sich Calhoun bei ihr. »Aber ich kann in dieser Wüste keinen Mann entbehren. Sie kommen doch zurecht?« Er schien keine Antwort zu erwarten, deutete auf das Sharps-Gewehr, dessen Schaft vom Kutschbock ragte, und fragte: »Können Sie überhaupt mit so einem Gewehr umgehen?«
    Ihre Wut war verraucht und sie konnte schon wieder lächeln. »Nicht, dass ich wüsste. Ich hab zum ersten Mal ein Gewehr in den Händen gehalten.«
    »Dachte ich mir. Und reiten können Sie wahrscheinlich auch nicht.«
    »Auf einem Ackergaul.«
    »Dann wird’s wohl höchste Zeit, dass ich Ihnen beides beibringe, sonst können Sie Texas vergessen. Ohne Pferd und Gewehr kommen Sie in so einem wilden Land nicht weit. Auch als Frau muss man dort reiten und schießen können, wenn man einigermaßen über die Runden kommen will, und ich spreche nicht von den Frauen der Comanchen ... die können das sowieso. Sobald wir diese Wüste hinter uns haben, beginnen wir mit dem Unterricht.«
    Doch wenn Molly geglaubt hatte, dass es damit getan war, einen weiteren Tag durchzuhalten und den Wagen aus der Gefahrenzone zu lenken, hatte sie sich getäuscht. Schon in der folgenden Nacht, der letzten, die sie in der trockenen

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