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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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Cimarron Desert verbrachten, geschah etwas, das ihr auf sehr dramatische Weise zeigte, wie grausam und unbarmherzig das Land sein konnte, in dem Bryan und sie sich eine gemeinsame Zukunft aufbauen wollten.
    Weder Molly, die in warme Decken gehüllt unter ihrem Wagen schlief, nachdem sie den Boden gründlich nach Schlangen abgesucht hatte, noch die Wachposten, die Roy Calhoun wegen der drohenden Indianergefahr aufgestellt hatte, bemerkten die dunkle Gestalt, die ungefähr zwei Stunden vor Sonnenaufgang von einem der Wagen kletterte, sich einige Zeit am Wagenkasten festhielt und etwas murmelte, das sich wie »Schnauze voll« und »Ihr könnt mich mal« anhörte. Der Mann war immer noch so betrunken, dass er gar nicht daran dachte, sein Gewehr mitzunehmen, in seiner Benommenheit eines der festgepflockten Maultiere stahl, sich auf seinen Rücken zog und vornübergebeugt wie ein Schwerverletzter aus dem Lager ritt. Hinter vorgehaltener Hand würde man später einen der Wachposten für das unbemerkte Verschwinden des Betrunkenen verantwortlich machen, doch der junge Mann war zum ersten Mal im Westen und von einem Kojoten abgelenkt gewesen, der in den nahen Hügeln auf die Jagd ging. »Egal«, trösteten ihn die anderen Männer, »um den versoffenen Kutscher ist es nicht schade, aber mach das nicht noch mal, sonst ziehen dir die Comanchen irgendwann den Skalp ab.«
    Molly bemerkte das Verschwinden von Mitch Miller erst, als sie ihre Decken zusammenfaltete und auf den Wagen warf. Sie rannte sofort zu Calhoun und rief: »Miller ist verschwunden!« Zur gleichen Zeit bemerkte der Händler, dem der betrunkene Kutscher das Maultier gestohlen hatte, das Verschwinden seines Tieres und lief ebenfalls zu Calhoun. Der Wagenboss rief sofort die Wachposten zusammen und bekam lediglich zur Antwort, dass niemand etwas gesehen hatte. Die Händler und Siedler hatten alle fest geschlafen, die meisten wegen der Wärme, die auch nachts auf den weiten Ebenen vorherrschte, unter ihren Wagen.
    Calhoun blickte in die aufgehende Sonne. Man sah ihm an, wie sehr er mit sich kämpfte. »In Ordnung«, meinte er schließlich, »es wäre wohl unchristlich, ihn allein in der Wüste zurückzulassen, auch wenn er sich alles andere als christlich benommen hat. Wir suchen nach ihm.« Er zählte die Namen von sechs Männern auf und ließ sie die ausdauerndsten Pferde und Maultiere holen. »Aber mehr als einen halben Tag können wir nicht erübrigen und zu weit vom Lager können wir uns auch nicht entfernen. Ich habe zwar keine Indianer gesehen, aber das sagt bei den Comanchen nicht viel. Wer ihn findet, schießt einmal in die Luft.« Er blickte die anderen an. »Bis Mittag sind wir zurück.«
    Molly verbrachte den Vormittag im Schatten ihres Planwagens. Sie setzte sich auf den ausgedörrten Grasboden, lehnte sich mit dem Rücken gegen eines der großen Wagenräder und zog ihren breitrandigen Hut in die Stirn. Mit ihrer Feldflasche in der rechten Hand blickte sie in die Ferne. Was hatte den verrückten Kutscher nur dazu bewogen, heimlich das Lager zu verlassen? War er lebensmüde? Wollte er seinem Leben auf diese Weise ein Ende machen? Oder hatte der Alkohol nur seine Sinne benebelt? Sie nahm an, dass der Whiskey an seinem Verschwinden schuld war, der Whiskey und die Erinnerung an die Indianerin, die ihn im Stich gelassen hatte. Er hatte in letzter Zeit öfter einen indianischen Namen in seinen Bart gebrummt. Der Name seiner ehemaligen Frau, nahm sie an. Anscheinend hatte ihm die Scheidung mehr zugesetzt, als er zugeben wollte. Ausgerechnet eine Indianerin. Von den anderen Männern wusste sie, dass eine Squaw nicht mehr wert war als ein Tanzhallenmädchen und eine Heirat mit einer solchen Frau sowieso nicht galt. Ein Mann konnte fünf Squaws haben, wenn er wollte, und sie auch jederzeit wieder verlassen.
    Mitch Miller dachte anscheinend anders und war vielleicht nur zu einem missmutigen Säufer geworden, weil er niemals über den Schmerz der Trennung hinweggekommen war. Bei dem Gedanken bekam sie beinahe Mitleid mit dem Kutscher, und sie war auch die Einzige, deren Augen sich mit Tränen füllten, als ungefähr zwei Stunden später ein Schuss über das weite Land hallte und die Ahnung in ihr aufstieg, dass ihn die Männer nicht mehr lebend angetroffen hatten. Ihr schrecklicher Verdacht wurde bestätigt, als Calhoun und seine Begleiter eine weitere Stunde später ins Lager ritten und mit versteinerten Mienen aus den Sätteln stiegen. »Zu spät«, erklärte der

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