Am Ufer der Traeume
Wagenboss, »er war schon tot, als wir ihn fanden. Die Comanchen haben ihn erwischt.«
Mehr verriet Calhoun nicht, doch einige seiner Begleiter konnten den Mund nicht halten und es sprach sich rasch im Lager herum, dass ihn die Indianer mit mehreren Pfeilen durchbohrt und seinen Körper auf grausame Weise verstümmelt hatten. Auch ein Grund dafür, warum sich die Männer beeilten, um die gefährliche Wüste möglichst schnell hinter sich zu lassen. Es schien zwar ausgeschlossen, dass sich die Indianer an einen so großen Wagenzug heranwagen würden, aber sicher konnte man bei den Comanchen niemals sein. Ein Satz, den Molly während der nächsten Jahre noch ein paarmal hörte.
Auch sie atmete auf, als sie endlich den Cimarron River erreichten und in den mit vereinzelten Bäumen und Gestrüpp bewachsenen Tälern wieder einigermaßen sicher vor den Indianern sein konnten. Sie nutzte eine längere Pause bei der Lower Spring, um sich zu waschen und ihre Kleider zu reinigen, und fühlte sich danach wie neugeboren, saß mit einem Teller der Bohnen, die sie gemeinsam über einem großen Feuer gekocht hatten, auf der Deichsel ihres Wagens und konnte schon wieder lächeln, als sich Calhoun zu ihr gesellte.
»Jetzt sind Sie für den Wagen verantwortlich«, sagte er. Auch er hielt einen Teller mit Bohnen in den Händen. »Sie kommen mit den Ochsen klar?«
Sie lächelte. »So langsam gewöhne ich mich an sie.«
»Dann dürfte Ihnen auch der Lohn zustehen, den Bradley dem Kutscher zahlen wollte. Der Lohn und das Sharps-Gewehr. Nach dem Essen zeige ich Ihnen, wie man damit schießt. Das Ding ist ein bisschen schwer für eine zarte Lady wie Sie, und es wird einige Zeit dauern, bis sie sich an den Rückschlag gewöhnt haben, aber die Anstrengung lohnt sich. Die Comanchen haben mächtigen Respekt vor der Waffe.« Er löffelte seine Bohnen, schien in Gedanken zu versinken und fragte plötzlich: »Wie ist er so ... Ihr Verlobter?«
»Bryan?« Ihre Miene wurde sanft. »Er ist der Mann, von dem ich immer geträumt habe. Ein weißer Ritter, wenn Sie verstehen, was ich meine. So wie Ivanhoe.«
»Ivanhoe?« Den Namen kannte er. »Von dem hab ich gehört ... ein tapferer Mann.« Er trank aus seiner Wasserflasche, wohl auch, um seine Enttäuschung vor ihr zu verbergen. »Und Sie sind sicher, dass dieser Bryan nachkommen wird? Bis nach Santa Fe und Texas?«
»Ganz sicher«, versicherte sie ihm. Er brauchte schließlich nicht zu wissen, dass sich in ihr bereits erste Zweifel regten und die Angst, dass Bryan von der Polizei erwischt und eingesperrt wurde oder in ein anderes Land fliehen musste, immer stärker wurde. »Wenn ein Ire etwas verspricht, dann hält er es auch.«
»Der junge Mann kann sich glücklich schätzen.«
Molly spürte, wie der Wagenboss in Selbstmitleid versank, und blickte ihn aufmunternd an. »Wenn Sie ständig mit einer solchen Trauermiene rumlaufen, finden Sie nie eine Frau. Sie sind ein stattlicher Mann, Roy, und wenn es Bryan nicht gäbe und ich nicht wüsste, dass er und ich füreinander geschaffen sind, könnte ich mir gut vorstellen, dass wir beide ein Paar werden könnten, auch wenn Sie etliche Jahre älter sind, aber ...« Sie stellte ihren Teller beiseite. »Wollten Sie mir nicht zeigen, wie man mit dem Sharps-Gewehr umgeht?«
Während der letzten zwei Wochen, die sie nach Fort Union und schließlich nach Santa Fe führten, übten sie täglich. Molly bekam einen fürchterlichen Muskelkater von dem heftigen Rückschlag des schweren Gewehres und musste sich erst an den ohrenbetäubenden Lärm gewöhnen, den das Abfeuern einer Kugel auslöste, erwies sich jedoch als talentierte Schützin und rang den Männern, die ihr beim Üben zusahen, bald ein anerkennendes Kopfnicken ab.
Mit dem Reiten tat sie sich etwas schwerer, was aber auch daran lag, dass Calhouns Brauner an den forschen Reitstil seines Besitzers gewöhnt war und sich mit einer Frau im Sattel etwas nervös verhielt. Die anderen Pferde waren Ackergäule, ähnlich wie die Pferde, die sie aus Irland kannte, und würden ihr im Westen wenig nützen. »Um Eindruck auf einen Comanchen zu machen, brauchen Sie ein gutes Pferd«, erklärte er grinsend. »Die Comanchen sind die beste Kavallerie der Welt. Stammt nicht von mir, hat ein General gesagt.«
»Ich habe nicht die Absicht, die Comanchen näher kennenzulernen.«
»Dann würde ich in Santa Fe bleiben.« Er half ihr aus dem Sattel. »Überlegen Sie es sich noch mal. Auch Daniel Boone war nicht
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