Am Ufer der Traeume
unbesiegbar und fiel den Indianern in die Hände, als er sich zu weit in die Wildnis vorwagte.« Als er ihren verständnislosen Blick bemerkte, ergänzte er: »Daniel Boone ... so was wie der amerikanische Ivanhoe.«
»So schlimm wie die Engländer können die Comanchen nicht sein.«
Aber ein wenig nachdenklich wirkte Molly doch, als zwischen den Hügeln die Lehmhäuser von Santa Fe auftauchten und sie den schweren Frachtwagen auf die Plaza lenkte. »Hoooo!«, rief Roy Calhoun laut, das Zeichen dafür, dass sie ihr Ziel nach zwei Monaten und zehn Tagen endlich erreicht hatten.
27
Santa Fe lag in einer anderen Welt. Gegen die grauen Mietskasernen in Dublin und New York nahmen sich die flachen Gebäude aus Adobe-Lehm fast exotisch aus. Die verputzten Wände schimmerten goldbraun im Morgenlicht und in den kleinen Fenstern spiegelte sich die Sonne, als Molly vom Kutschbock kletterte und ihren verstaubten Hut an der Wagendeichsel sauber schlug.
Auf der Plaza herrschte ein reges Treiben. Von allen Seiten strömten Männer, aber auch Frauen und Kinder herbei, um die Händler und Siedler willkommen zu heißen. Die Ankunft eines Wagentrecks war immer noch ein Ereignis, obwohl die Wagenzüge schon seit über zwanzig Jahren über den Santa Fe Trail in das ehemalige Zentrum der spanischen Territorien rollten. Molly fielen vor allem die bunten Kleider der Mexikaner auf. Besonders die Frauen trugen mit bunten Stickereien verzierte Kleider oder lange Röcke mit weißen Blusen und farbenprächtige
serapes
über den Schultern. Selbst die einfachen
peones
mit ihren Handkarren und die Mägde, die für ihre Herrschaften auf dem Markt einkauften, vermittelten einen stolzeren und zufriedeneren Eindruck als die unzufriedenen New Yorker. Zumindest südlich des Union Square hatte Molly noch keinen Menschen getroffen, der gerne in New York lebte.
Joaquin Ramirez erkannte ihren Wagen und verbeugte sich höflich, als sie ihm den Brief von Luther Bradford übergab. Er trug die Lederkleidung eines Vaqueros und auf dem Kopf einen breitrandigen Sombrero, der beinahe sein ganzes Gesicht beschattete. Ein schmaler Schnauzbart bedeckte seine Oberlippe. »Señorita Campbell?«, begrüßte er sie, nachdem er fertig gelesen hatte. »Eine Lady aus New York hatte ich mir ganz anders vorgestellt.« Er musterte verwundert ihre schmutzige Kleidung.
Molly lächelte verhalten. »Das kommt davon, wenn man selbst auf den Kutschbock steigen muss. Mitch Miller wurde leider von Indianern getötet und der Wagenboss konnte keinen anderen Mann für mich freistellen.«
»Das tut mir leid.« Ramirez schien sich erst jetzt daran zu erinnern, dass er einer Lady gegenüberstand, und nahm rasch seinen Sombrero ab. »Ah,
perdón
, ich habe mich noch gar nicht vorgestellt. Ich bin Joaquin Ramirez, der Verwalter der Hacienda del Piero einige Meilen südlich von hier. Wie Sie sicher wissen, hat mich Mister Bradley mit dem Verkauf der Waren und des Wagens beauftragt.« Er zog eine auf Englisch verfasste Vereinbarung aus seiner Westentasche und zeigte sie ihr. »Wenn Sie wollen, kümmere ich mich gleich darum. Ich nehme an, der Lohn für den Kutscher geht jetzt an Sie ...«
Molly zog das schwere Sharps-Gewehr vom Kutschbock und nickte. »Das nehme ich jedenfalls an. Ich werde noch heute einen Brief an Mister Bradley schreiben und ihm die näheren Umstände von Mister Millers Tod schildern.«
»Ich nehme an, sie waren nicht gerade angenehm.«
»Er war betrunken«, erwiderte sie lapidar.
Der Mexikaner steckte die Vereinbarung in seine Tasche zurück. »So etwas Ähnliches habe ich mir schon gedacht. Miller hatte nicht den besten Ruf. Wir wussten nicht, dass Señor Bradley ihn verpflichtet hatte, sonst hätten wir ihn sicher gewarnt.« Er setzte seinen Sombrero auf und blickte auf den mehrteiligen Adobe-Bau, vor dem der Wagenzug gehalten hatte. »Ich nehme an, Sie steigen im La Fonda ab. Wenn Sie wollen, bringe ich Ihnen den Lohn vorbei, sobald ich den Handel abgeschlossen habe.« Er nahm ihr die schwere Reisetasche aus der Hand. »Ich begleite Sie zur Rezeption.«
Molly war überrascht, wie viel Betrieb in der Eingangshalle, dem angrenzenden Restaurant und der geräumigen Spielhalle herrschte. Geschäftsleute, Händler, Kutscher, Abenteurer, Spieler und Familien, darunter zahlreiche Mexikaner, bevölkerten das Hotel, das seit der Gründung des New-Mexico-Territoriums vor einigen Jahren von einem amerikanischen Ehepaar betrieben wurde und eigentlich »US Hotel« hieß,
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