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Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
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es uns jemals gestattet sein wird, wieder eine Kirche zu betreten, aber du wirst dich an meine Worte erinnern und unseren Herrgott um Verzeihung bitten.«
    »Ich hab’s nicht ernst gemeint, Mutter. Tut mir leid.«
    »Unterlass diese Scherze, hörst du?«
    Während sie weiter auf den Wald zugingen, dachte Molly über die Worte ihrer Schwester nach. Nicht darüber, was sie über Männer dachte. Ihr war schon lange bewusst, welche Wirkung ihre Schwester auf Männer hatte, und sie war sich auch im Klaren darüber, dass Fanny mit zunehmendem Alter bereit sein würde, diese Waffe gezielt einzusetzen. Sie war nicht die Einzige. Auf dem Marktplatz hatte sie öfter beobachtet, wie verführerisch aussehende Frauen manchen Männern den Kopf verdreht hatten. Von einer Farmerstochter in Carrick-on-Shannon erzählte man sich, dass sie auf diese Weise sogar einen Edelmann verführt hatte und fürstlich von ihm entlohnt worden war.
    »Amerika« war das Wort, das sich in ihren Gedanken festgesetzt hatte. Der Name eines Landes, über das sie nur wusste, dass unzählige Iren während der ersten Hungersnot dorthin ausgewandert waren und dass man dort angeblich freier und unabhängiger war. »Land der Freiheit« nannten sie es. Selbst für Frauen sollte es dort möglich sein, einträgliche Arbeit zu bekommen und ein Leben zu führen, wie es in Irland niemals möglich wäre, auch ohne die Hungersnot.
    Einige Landbesitzer sollten Farmern, die man von ihrem Land verjagt hatte, sogar die Überfahrt bezahlt haben. Nicht alle Engländer waren so herzlos wie Sir Richard Bourke, der nicht einmal selbst gekommen war, um ihnen die schlechte Nachricht zu überbringen. Einige Geschäftsleute, die eine Fabrik oder Firma in New York besaßen und ihre Abgesandten nach Dublin oder ins englische Liverpool geschickt hatten, streckten den Auswanderern angeblich das Geld für die Schiffspassage vor und verlangten dafür, dass sie den Kredit in New York abarbeiteten, selbstverständlich mit Zins und Zinseszins. Und viele Auswanderer hatten ihre ganzen Ersparnisse für die Überfahrt ausgegeben.
    Sie selbst besaßen keinen Penny mehr und würden niemals so viel arbeiten können, wie nötig wäre, um das Geld für die Tickets zusammenzubekommen. Ihnen blieb nur ein Kredit. Aber würde ein Geschäftsmann, der einen möglichst hohen Profit erwirtschaften wollte, sein Geld drei Frauen leihen, die ihr ganzes Leben auf einer Farm gearbeitet hatten? In New York gab es keine Farmen, die Stadt sollte beinahe so groß wie London sein, und London, so erzählte man sich, war so riesig, dass man mehrere Stunden brauchte, um die Stadt zu durchqueren. Würde er ein solches Risiko eingehen, wenn es in Dublin und Cork unzählige Männer und Frauen gab, die jahrelang in Fabriken oder Läden gearbeitet hatten? Oder bestand die Arbeit in einer solchen Fabrik aus Handgriffen, die jede Frau schaffen konnte, und kam es den Geschäftsleuten nur darauf an, dass eine Frau stark und gesund war? Sie hätte gern eine Antwort auf diese Frage bekommen. Vielleicht sollten sie im Frühjahr nach Dublin weiterziehen.
    Es dämmerte bereits, als sie den Waldrand erreichten. Erleichtert darüber, zwischen den Bäumen besser gegen den frischen Wind geschützt zu sein, blieben sie stehen. Im Wald war es bereits dunkel, es drang kaum noch Licht durch die dichten Baumkronen. Nur der Wind war zu hören, wie er in den Bäumen rauschte und vergeblich versuchte, sich freie Bahn zu verschaffen. Und nach einer Weile auch ein ständiges Knacken und Knistern, als wären noch andere Menschen im Wald und stapften durch das dichte Unterholz.
    Molly blickte ihre Mutter an und bemerkte, wie müde und erschöpft diese war. Sie stützte sich mit einem Arm auf Fanny und mit dem anderen an einem Baum ab und hielt den Kopf gesenkt wie jemand, der am Ende seiner Kräfte ist. Wahrscheinlich war sie schwächer, als sie zugeben wollte, und hatte lediglich geschwiegen, um ihren Töchtern nicht zur Last zu fallen. Molly befürchtete sogar, dass sich eine Krankheit in ihr festgesetzt hatte und langsam ausbreitete. Sicher nur eine Erkältung, tröstete sie sich, keine tödliche Krankheit wie das Schwarze Fieber oder die Cholera, obwohl man auch an Schnupfen und Husten sterben konnte, wenn man kaum noch Abwehrkräfte besaß. Ihre Mutter brauchte dringend Ruhe, ein warmes Feuer und zu essen und zu trinken.
    »Wartet hier«, sagte sie zu Fanny und ihrer Mutter. Sie reichte ihnen den Kochtopf mit den Essnäpfen und den Löffeln.

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