Am Ufer der Traeume
Miss. Ich sage den Leuten von der Gesellschaft Bescheid, sobald wir in San Antonio ankommen, und informiere auch die Rangers. Sie werden nicht allzu glücklich darüber sein, dass sich eine Frau ganz allein im Comanchengebiet aufhält ...«
»Eine Irin, Mister! Eine Irin!«
Molly wartete, bis die Kutsche zwischen den Kakteen verschwunden war, und kehrte ins Haus zurück. Du bist vollkommen verrückt, sagte sie sich und fühlte doch, dass sie das Richtige getan hatte. Das Haus hatte nicht viel zu bieten. Immerhin war es aus Holz gebaut, aus kräftigen Zedernstämmen, die man eng aneinandergefügt hatte. Die Lücken waren mit Ado-be-Lehm aufgefüllt. Es gab zwei Fenster, über dem Bett, das hinter einem provisorischen Vorhang aus Fellen lag, und neben der Eingangstür, und einen Kamin aus Felsbrocken. Nicht weit vom Kamin entfernt stand ein großer Herd, der Molly an die heimatliche Farm erinnerte. Im Gegensatz zu dem Lehmhaus in Irland gab es hier einen soliden Holzboden, der leise knarrte, wenn man darüber ging. Aus irgendeinem Grund hatten die Indianer das Haus nicht betreten. Der Schrank war verschlossen, die Schubladen der Kommode nicht herausgezogen, die Vorratsregale waren gefüllt. Irgendetwas musste sie davon abgehalten haben, das Haus zu plündern. Sie hatten nur die Gewehre mitgenommen, weder beim Stationsagenten noch bei dem Oldtimer hatte eine Waffe gelegen.
Mit dem Eimer, der vor dem Herd stand, holte sie frisches Wasser aus dem Brunnen vor dem Haus. Während sie an dem Seil zog, suchten ihre Augen die Gegend nach einer verdächtigen Bewegung ab, konnten aber nichts entdecken. Sie kehrte mit dem Wasser ins Haus zurück, schürte den Herd und brachte einen Teil des Wassers zum Kochen. In der Kommode fand sie einen gebrauchten, aber gewaschenen Verband und zerriss ein sauberes Laken für die restlichen Wunden. Sie zog den Oldtimer bis auf die Unterwäsche aus und reinigte seine Wunden mit einem Lappen, den sie in das heiße Wasser in einem Behälter des Herdes tauchte. Die Kopfwunde war harmlos, nur eine blutige Schramme, die kaum die Haut aufgerissen hatte. Die beiden anderen Wunden an der Schulter und der Hüfte klafften dagegen weit auseinander und mussten unbedingt genäht werden. Mit einfachen Verbänden war es da nicht getan.
In der obersten Schublade der Kommode hatte sie Nähzeug gesehen. Sie holte Nadel und Garn, fädelte es ein und blieb eine Weile nachdenklich neben dem Oldtimer auf dem Bettrand sitzen, bevor sie sich an die Arbeit machte. Ihre Mutter hatte das Gleiche einmal bei ihr gemacht, als sie mit dem Kopf gegen eine Mauer geprallt war, und sie erinnerte sich noch gut daran, wie laut sie damals geschrien hatte. Und ihre Platzwunde war klein gewesen. Wie weh musste es erst tun, wenn die Wunden so groß wie bei dem Oldtimer waren?
Trotzdem fing sie entschlossen an. Der starke Blutverlust hatte den Verletzten so geschwächt, dass er kaum noch zu einer Regung fähig war, und seine Bewusstlosigkeit ließ ihn den Schmerz kaum spüren, dennoch stöhnte er vernehmlich, als sie die Nadel durch seine Haut bohrte, und öffnete einmal sogar kurz die Augen, um gleich darauf wieder in tiefer Bewusstlosigkeit zu versinken. Molly schwitzte und ihr wurde so übel, dass sie mehrmals unterbrechen, sich den Schweiß von der Stirn wischen und einen Schluck kühles Wasser trinken musste, bevor sie weitermachen konnte. Nachdem sie den letzten Faden verknotet hatte, blieb sie lange sitzen und weinte leise.
Sie reinigte die Wunden erneut und legte zwei feste Verbände an. Der Atem des Oldtimers ging flach, aber regelmäßig und seine Haut war viel zu weiß für einen Mann, der die meiste Zeit im Freien gewesen war. Molly verstand nicht viel von Wunden, war sich aber sicher, dass er beim Herrgott einen großen Stein im Brett haben musste, wenn er es schaffen wollte. Er war über sechzig, vielleicht sogar älter, und hatte wenig Kraftreserven. Ihm kam wohl nur zugute, dass er noch auf seine alten Tage hart gearbeitet hatte. »Das wird schon«, sagte Molly zu ihm, »in ein paar Tagen sind Sie wieder auf dem Damm.«
Sie deckte den Oldtimer zu und wusch ihre Hände. Die Hauptsache war, dass er kein Fieber bekam, sonst würde er genauso sterben wie die armen Leute, die am Schwarzen Fieber oder der Cholera zugrunde gegangen waren. Viel konnte sie nicht tun. Nach ein paar Tagen die Verbände wechseln, falls er so lange durchhielt, ihn mit heißer Brühe füttern, wenn er erwachte, den Herrgott bitten, ihn am Leben
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