Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ufer der Traeume

Am Ufer der Traeume

Titel: Am Ufer der Traeume Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Jeier
Vom Netzwerk:
der Kutscher.
    Molly erholte sich nur langsam vom Anblick der Toten. Sie ging ein paar Schritte und hielt ihr Gesicht in den Wind, um den fürchterlichen Gestank aus der Nase zu bekommen. Auch in der alten Heimat hatte sie sich nie an den Geruch des Todes gewöhnen können. Sie genoss den frischen Windhauch, der ihr auf einem Hügel abseits des Stationshauses entgegenwehte, und blickte über das mit Kreosotbüschen, Salbei und dornigem Gestrüpp bewachsene Land. Der Ingenieur hatte recht, von einem Paradies würde man erst sprechen können, wenn die Siedler dieses Land in einen blühenden Garten verwandelt hatten. So wirkte es eher feindlich und abweisend, und der Gedanke, hinter den Felsen, die in weiter Ferne aus dem Boden ragten, könnten sich feindliche Indianer verstecken, ließ sie an die Worte des Beifahrers denken, der dazu geraten hatte, die Station so schnell wie möglich zu verlassen. Ein kurzer Blick auf die tote Frau des Stationsagenten hatte genügt, um ihr klarzumachen, was die Comanchen mit einer jungen Frau wie ihr anstellen würden.
    Und doch faszinierte sie dieses Land. Die urwüchsige Natur mit seltsamen Tieren und Pflanzen, die es tatsächlich schafften, sich in dieser Trockenheit zu behaupten. Die unendliche Weite, die kaum den fernen Horizont erahnen ließ. Der Wind, der eine magische Kraft in dieser Einsamkeit auszuüben schien und geheimnisvoll im Gestrüpp raschelte. Die scheinbare Leere, die einem vorgaukelte, allein auf der Welt oder einem anderen Planeten zu sein. Die Sonne, die mit besonderer Kraft auf die endlose Prärie brannte. Ein gewaltiges Land, das sie auf wundersame Weise in seinen Bann zog und sogar die Erinnerung an die grünen Hügel ihrer alten Heimat auszulöschen schien.
    Ein leises Stöhnen störte sie in ihren Gedanken. Sie blickte in die Richtung, aus der es gekommen war, und konnte nichts entdecken, lief ein paar Schritte und sah einen Mann im Gestrüpp liegen. Er lag auf der Seite, ein Oldtimer mit weißen Haaren und einem weißen Vollbart, das Gesicht vor Schmerz verzerrt, die Hose und das Hemd eingerissen und blutverschmiert.
    Sie lief zu ihm und zog ihn aus dem Gebüsch. Durch die Risse in seinem Hemd war eine klaffende Schnittwunde zu erkennen und auf seine Schulter war geronnenes Blut, als hätte jemand mit einer Axt auf ihn eingeschlagen. An seiner Schläfe befand sich eine blutige Strieme, anscheinend von einer Kugel, die ihn gestreift hatte. Das Blut war ihm übers Gesicht in die Augen gelaufen.
    »Keine Angst, Mister«, sagte sie zu ihm, »das kriegen wir wieder hin.« Sie zog ein Taschentuch hervor und wischte ihm das Blut aus dem Gesicht. Auch sein Bein hatte etwas abgekriegt, eine Kugel, die seinen Oberschenkel glatt durchschlagen, ihn aber ebenfalls viel Blut gekostet hatte. »Das wird wieder.«
    Sie wandte den Kopf und rief die Männer herbei: »Hier liegt noch jemand! Er ist schwer verletzt! Wir müssen ihn ins Haus schaffen! Hier ... hier unten!«
    Der Kutscher und sein Beifahrer tauchten in der Senke auf und fluchten beim Anblick des verletzten Mannes leise. »Das ist Buddy ...«, sagte der Kutscher. »Ich hab mich schon die ganze Zeit gefragt, wo er abgeblieben ist. »Buddy Johnson, ein Oldtimer. Einige Leute behaupten, dass er schon vor den Spaniern hier war. Nun ja ... auf jeden Fall ist er schon sehr lange hier. Angeblich soll er in den Superstitions drüben ein Vermögen in Gold aus dem Boden gegraben und einen Monat später an eine Frau verloren haben. Die machte ihm schöne Augen und brannte mit dem ganzen Vermögen durch. Keine Ahnung, ob es stimmt. Hier bekam er so was wie sein Gnadenbrot.«
    Der Beifahrer war bereits dabei, den halb Bewusstlosen zu untersuchen. »Sieht nicht gut aus«, sagte er mit einem Blick auf seine Wunden und die Blutlache im Gestrüpp. »Er hat eine Menge Blut verloren. Bis zur nächsten Station oder nach San Antonio mitnehmen können wir ihn nicht, das würde er niemals überleben, und hierbleiben geht erst recht nicht. Wer weiß, ob die Comanchen noch mal wiederkommen. Den Teufeln ist alles zuzutrauen ...«
    »Sie wollen ihn einfach ... sterben lassen?«, fragte Molly entsetzt.
    Er ging nicht auf ihre Frage ein. »Wir schaffen ihn ins Haus und stellen Wasser und was zu essen neben sein Lager. Mehr können wir nicht für ihn tun. Und dann machen wir uns rasch aus dem Staub.« Er blickte den Kutscher an. »Hilf mir mal! Und Sie, Miss, setzen sich besser in die Kutsche! Hier draußen gibt es Klapperschlangen und wer

Weitere Kostenlose Bücher