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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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ringsum stillzustehen.
    »Wenn Sie mich in den Salon begleiten möchten«, sagte Ludmilla von Czerny schließlich. »Die Herren Cranston und Hingis haben sich dort eingefunden, um sich mit uns zu besprechen.«
    »Ich komme«, versprach Sarah. Noch einmal bedachte sie Kamal mit einem liebevollen Blick, strich ihm sanft über die Wange und das bärtige Kinn, ehe sie sich erhob und der Gräfin nach draußen folgte.
    Auf Anraten Dr. Cranstons blieben die Samtvorhänge des Krankenzimmers geschlossen, sodass dort beruhigendes Halbdunkel herrschte, das der Mediziner als dem Patienten zuträglich erachtete; als Sarah das Zimmer verließ, wurde sie vom hellen Licht geblendet, das durch die hohen Fenster des Korridors fiel. Zwar hatte sie mitbekommen, dass der neue Tag angebrochen war, sich jedoch nicht weiter darum geschert. Jetzt erst sah sie, dass es offenbar spät in der Nacht zu schneien begonnen hatte und dass sowohl die Straßen als auch die Dächer der umliegenden Häuser von einer weißen Schicht bedeckt waren.
    Die Gräfin Czerny geleitete sie persönlich in den Salon, dessen Kamin in Anbetracht des Wintereinbruchs schon am frühen Morgen angeheizt worden war. Ein Feuer knisterte in der von grauem Stuck umrahmten Öffnung, vor der ein niedriger Holztisch mit elegant geschwungenen Beinen stand. Auf diesem war eine Landkarte ausgebreitet. Umlagert wurde er von samtbezogenen Polstersesseln, von denen zwei besetzt waren. Die beiden Männer, die darin saßen, unterbrachen ihre Unterhaltung und erhoben sich, als Sarah und die Gräfin den Raum betraten.
    »Grüezi.«
    »Guten Morgen, Friedrich. Auch Ihnen einen guten Morgen, Doktor.«
    »Sarah«, erwiderte Cranston den Gruß mit höflichem Nicken und besorgtem Blick. »Wie fühlen Sie sich?«
    »Danke, gut«, log Sarah – in Wahrheit fühlte sie sich elend und ausgezehrt, nicht nur der durchwachten Nacht, sondern auch der Übelkeit wegen, die sie an diesem Morgen traktierte.
    »Ich werde sofort nach Kamal sehen«, versprach der Arzt. »Vorher jedoch gibt es einige Dinge, über die wir sprechen sollten. Die Gräfin und Dr. Hingis haben mir berichtet, dass Sie in der Bibliothek fündig geworden sind …«
    »Nun ja«, schränkte Sarah ein, während die Gräfin und sie sich setzten. Daraufhin nahmen auch Cranston und Hingis wieder Platz. »Zumindest gibt es einen Hinweis, dem nachzugehen sich lohnen würde.«
    »Auch nachdem der Zustand des Patienten sich verschlechtert hat?«
    »Gerade nachdem der Zustand des Patienten sich verschlechtert hat«, bekräftigte Sarah. »Weder Sie noch einer der anderen Ärzte konnten Kamal heilen. Das Wasser des Lebens ist seine letzte Chance.«
    »Sie brauchen mich nicht zu überzeugen, Lady Kincaid. Würde ich Ihnen nicht blind vertrauen, so hätte ich mich niemals zu dieser Reise bereit erklärt. Ich wusste ja, was Sie vorhaben.«
    »Aber?«, fragte Sarah.
    »Aber in Anbetracht der jüngsten Ereignisse«, fuhr Friedrich Hingis an Cranstons Stelle fort, »sollten wir anders disponieren. In seinem Zustand kann Kamal die Reise unmöglich mitmachen …«
    »Das ist wahr«, räumte sie ein.
    »… gleichzeitig verlieren wir aber unnötig Zeit, wenn wir ihn hier in Prag zurücklassen«, fuhr Cranston fort, um mit Blick auf Gräfin Czerny hinzuzufügen: »Obgleich ich mir keinen Ort der Welt vorstellen könnte, an dem unser Patient besser aufgehoben wäre.«
    »Ich danke Ihnen, Doktor.« Die Gräfin nickte.
    »Was also schlagen Sie vor?«, wollte Sarah wissen.
    »Nicht ich«, verbesserte Cranston. »Die Gräfin hat diesen Vorschlag unterbreitet, der unser Vorhaben in meinen Augen überhaupt erst realisierbar macht.«
    »Ich verstehe«, sagte Sarah. »Und um was für einen Vorschlag handelt es sich dabei?«
    »Welche Reiseroute beabsichtigen Sie zu wählen?«, erkundigte sich die Gräfin.
    »Die kürzeste«, erwiderte Sarah kurzerhand. »Von Prag nach Wien, von dort nach Venedig und mit dem Schiff weiter nach Griechenland.«
    »Das habe ich mir gedacht. Ihnen sollte aber klar sein, dass eine winterliche Alpenüberquerung sowie eine anschließende Schiffspassage mit unwägbaren Strapazen verbunden ist, die unser Patient mit einiger Sicherheit nicht überstehen würde.«
    »Dessen bin ich mir bewusst, Gräfin«, räumte Sarah ein. »Aus diesem Grund hatte ich vorgehabt, Kamal in Ihrer Obhut zurückzulassen, wenn Sie es gestatten.«
    »Ich gestatte es natürlich – aber ich denke, es gibt noch eine andere Möglichkeit. Wieso nehmen Sie nicht die

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