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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Ich muss diesen Hinweisen nachgehen.«
    »Selbst wenn es Sie das Leben kostet?«
    »Kamal oder ich – wo ist der Unterschied?«, erwiderte Sarah die Frage. »Finde ich kein Heilmittel, so ist sein Ende besiegelt und das meine ebenso. Einen Menschen, der mir am Herzen lag und der mir mehr bedeutete als alles andere, habe ich bereits verloren, Gräfin. Noch einmal werde ich es nicht zulassen.«
    »Sarah, ich …«, begann Hingis sichtlich verlegen – mit einer Handbewegung brachte sie ihn zum Schweigen und ersparte es ihm, nach einer Erklärung suchen zu müssen.
    »Ich weiß, was Sie sagen wollen, Friedrich«, versicherte sie, »und sicher haben Sie Recht. Es ist ein Wagnis, auf das ich mich einlasse, noch dazu eines, dessen Ausgang völlig offen ist. Weder kann noch werde ich erwarten, dass Sie sich daran beteiligen. Ohnehin haben Sie schon weit mehr für mich getan, als ich erwarten durfte.«
    »Wie denn?«, fragte Ludmilla von Czerny verblüfft. »Wollen Sie die Reise etwa allein antreten?«
    »In Begleitung einiger Träger und eines ortskundigen Führers – warum nicht?«, hielt Sarah dagegen.
    »Weil es nicht in Frage kommt«, antwortete Hingis energisch. »Ich weiß Ihre Bescheidenheit zu schätzen, liebe Freundin, aber ich kann nicht hinnehmen, dass ich in Ihren Plänen offenbar keine Rolle spiele. Natürlich werde ich Sie begleiten, wenn Sie erlauben.«
    »Das ist sehr edelmütig von Ihnen, mein bester Friedrich – aber ich erlaube es nicht.«
    »Nein? Warum nicht?«
    »Weil ich bereits zu viele gute Freunde verloren habe. Wenn Ihnen auf dieser Expedition etwas zustieße, würde ich mir das niemals verzeihen.«
    »In diesem Fall«, entgegnete der Schweizer leichthin, »wird es Sie erleichtern zu erfahren, dass ich vorhabe, diesmal am Stück zu bleiben – und das dürfen Sie wörtlich nehmen. Etwas anderes wäre es natürlich, wenn Sie mich nicht dabei haben wollen, weil ein Krüppel in Ihren Augen mehr ein Hindernis denn einen Nutzen darstellt …«
    »Aber nein«, beeilte sich Sarah zu versichern, die den pikierten Unterton in Hingis’ Worten bemerkt hatte, »es geht mir nur um Ihre Sicherheit. Sie dabei zu haben wäre mir ein großer Trost und eine unersetzliche Hilfe.«
    »So können Sie auf mich zählen«, erwiderte Hingis schlicht und deutete eine Verbeugung an – für einen Gentleman seines Schlages war damit alles gesagt.
    »Ebenso wie auf mich«, versicherte die Gräfin lächelnd.
    »Sie … Sie wollen die Expedition ebenfalls begleiten?«
    »Warum nicht, meine Liebe? Wie ich Ihnen schon sagte, habe ich mich mein Leben lang danach gesehnt, dieser Stadt den Rücken zu kehren und die weite Welt zu erkunden. Zwar geht meine Kühnheit nicht so weit, Ihnen bis ans Ziel Ihrer Reise zu folgen – wenn Sie jedoch erlauben, werde ich Sie auf einem Stück des Weges begleiten. Zumal mir Mittel und Wege offen stehen, die Ihnen wohl verschlossen sein dürften.«
    »Das wäre wunderbar«, sagte Sarah. »Wieder einmal weiß ich nicht, wie ich Ihnen danken soll, Gräfin.«
    »Aber nicht doch.« Das Lächeln der Gräfin wurde noch breiter. »Schwestern helfen einander, nicht wahr?«
    »Das ist richtig.« Sarah nickte. »Allerdings weiß ich nicht, ob …«
    Sie unterbrach sich, als die Tür zum Lesesaal plötzlich geöffnet wurde und Professor Bogary erschien, einen jungen Burschen im Schlepp, den Sarah bei genauerem Hinsehen als einen von Gräfin Czernys Bediensteten erkannte. Das Gesicht des jungen Mannes war purpurrot, seine Brust hob und senkte sich unter schnellen Atemzügen – und an dem furchtsamen Ausdruck in seinem Gesicht konnte Sarah erkennen, dass etwas vorgefallen sein musste.
    »Guten Abend, Durchlaucht«, stieß er keuchend hervor, während er sich tief vor seiner Herrin verbeugte. »Bitte verzeihen Sie mein ungefragtes Eindringen. Dr. Cranston schickt mich …«
    »Kamal!« Alarmiert schoss Sarah von ihrem Sitzplatz hoch, denn ihr war klar, dass die Nachricht nur ihren Geliebten betreffen konnte. »Was ist mit ihm?«
    »Der Doktor sagt, Sie sollen sofort kommen«, eröffnete der Bote stockend. »Es ist überaus dringend …«

7.
    R EISETAGEBUCH VON S ARAH K INCAID
N ACHTRAG
    Nun ist eingetreten, was ich insgeheim schon die ganze Zeit befürchtet habe: Kamals Zustand hat sich dramatisch verschlechtert. Sein Puls ist unregelmäßig und kaum noch zu fühlen. Gelingt es mir nicht bald, Hilfe zu beschaffen, so befürchte ich das Ärgste …
    P ALAIS C ZERNY K LEINSEITE , P RAG
M ORGEN DES 12. O

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