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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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edelmütig von Ihnen.«
    »Vielleicht – aber wohl auch ziemlich dumm.« Ein Lächeln zerknitterte sein blasses Gesicht. »Den Rest der Nacht verbrachte ich in einem hohlen Baum, wo ich fast erfroren wäre. Gottlob erhielt ich schon bald darauf Hilfe.«
    »Perikles, richtig?«, fragte Sarah.
    »Nein.« Hingis schüttelte den Kopf. Ein Schatten legte sich über seine Züge und vertrieb das Lächeln. »Perikles ist tot.«
    »Was?« Sarah fuhr hoch.
    »Auf dem Rückweg vom Orakel fanden wir seinen Leichnam. Gesicht und Körper waren von Brandwunden übersät. Jemand hat ihn grausam gefoltert, ehe er ihm eine Kugel gab.«
    Sarah schloss die Augen, und aus dem Hintergrund ihres Bewusstseins tauchte das Bild des wackeren Makedonen auf, der ihnen so treu zur Seite gestanden hatte. Um sein Leben nicht unnötig zu gefährden, hatte Sarah ihn zurückgeschickt – und damit sein Schicksal offenbar besiegelt. Nun würden seine Frau und seine Kinder vergeblich auf ihn warten …
    Ihr war zum Weinen zumute, aber sie konnte es nicht. Es war, als wären ihre Tränen versiegt, angesichts all der Gräuel, deren Zeuge sie geworden waren, und der Strapazen, die sie durchlebt hatten. Unsagbare Wut keimte stattdessen in ihr auf. »Wer?«, wollte sie wissen. »Wer hat das getan? Türken oder Griechen?«
    »Türken«, erwiderte Hingis. »Sie sind der Grund dafür, dass wir uns entschlossen haben, uns bis zum Einbruch der Dunkelheit in dieser schäbigen Behausung zu verbergen. Sie sind uns dicht auf den Fersen.«
    Plötzlich fiel Sarah auf, dass Hingis von sich im Plural sprach. »Uns?«, fragte sie und hob die Brauen.
    »Ich bin nicht allein gewesen«, gestand Hingis freimütig. »Weder, als ich Perikles fand, noch bei Ihrer Rettung. Jemand anderem kommt das Verdienst zu, Sie aus dieser finsteren Grotte geschleppt und Ihnen das Leben gerettet zu haben.«
    »Wem?«
    »Ich bin das gewesen«, kam die Antwort von jenseits des Laternenscheins. Eine dunkle, grobschlächtige Gestalt trat an Sarahs Lager, und unerwartet blickte sie in die von Brandwunden entstellten Gesichtszüge ihres geheimnisvollen einäugigen Verbündeten.
    »Sie sind noch am Leben«, stellte sie erleichtert fest. »Sie haben den Sprung vom Zug überstanden.«
    »Das habe ich.« Der Zyklop, der den Kopf einziehen musste, um in der Hütte aufrecht stehen zu können, deutete ein Nicken an. »Allerdings ist es nicht einfach, Ihnen auf der Spur zu bleiben, Lady Kincaid. Mehrmals dachte ich, ich hätte Ihre Fährte verloren. Aber dann hat sie mich doch noch zu Ihnen geführt.«
    »Danke.« Sarah lächelte.
    »Danken Sie mir nicht zu früh. Nicht nur, um Sie zu retten, bin ich Ihnen gefolgt, sondern auch, um das zu tun, wozu Sie nicht willens oder nicht mehr in der Lage gewesen sind.«
    »Wovon sprechen Sie?«
    »Ich habe dafür gesorgt, dass die Quelle des Lebens auf immer versiegt ist, Lady Kincaid«, antwortete der Zyklop leise. »Ich habe den Schacht gesprengt.«
    »Was?« Sarah schaute ihn entsetzt an. »Aber ich habe die Quelle eben erst entdeckt! Sie birgt große Kraft, große Geheimnisse …«
    »… die sich die Gegenseite zunutze machen könnte«, fügte Hingis hinzu, der über diese Entwicklung erleichtert schien. »Erinnern Sie sich an unser Gespräch im Zug?«
    »Natürlich erinnere ich mich daran«, versicherte Sarah. »Aber wenn wir die Errungenschaften der Vergangenheit allesamt zerstören, sind wir nicht besser als die Gräfin und ihre Kumpane.«
    »Die Bruderschaft trachtet danach, das Wissen der alten Zeit für sich allein zu gewinnen«, erklärte der Zyklop. »Wir hingegen sorgen dafür, dass es nicht in falsche Hände gerät.«
    »Aber Kamal …«
    »Für Kamals Genesung ist gesorgt«, versicherte Hingis und deutete auf die Flasche neben Sarahs Lager. »Mehr wollten wir nie – oder haben Sie das vergessen? Hat die Gier inzwischen auch von Ihnen Besitz ergriffen?«
    Sarah schüttelte den Kopf.
    Ihre Begleiter hatten Recht. Es war besser, die Quelle des Lebens für immer unzugänglich zu machen, als zu riskieren, dass sie in den Händen der Bruderschaft zum Mittel der Vernichtung wurde …
    »Damit«, wandte sie sich wieder an ihren geheimnisvollen Helfer, »haben Sie mir bereits zum zweiten Mal das Leben gerettet. Und ich kenne noch nicht einmal Ihren Namen.«
    »Polyphemos.«
    »Ist das ein Scherz?«
    »Ich scherze niemals, Lady Kincaid«, antwortete der Zyklop, dessen Gesicht Sarah erstmals eingehender betrachten konnte. In seinen Zügen glaubte sie eine

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