Am Ufer Des Styx
und mich vernichten, und es ist eine bittere Ironie des Schicksals, dass er gleichzeitig meine einzige Chance zu sein scheint, Kamal zu retten.«
Schweigen trat in der Kammer ein, in der es nach Moder und kaltem Schweiß roch und deren einzige Einrichtung aus einem schäbigen Tisch und zwei dazugehörigen Stühlen bestand. Erst jetzt schien den Männern aufzugehen, was Sarah tatsächlich zu tun im Begriff war und welche Opfer sie auf sich nehmen wollte, um ihrem Geliebten beizustehen.
»Dann sollten Sie sehr vorsichtig sein«, sagte Sykes schließlich leise, »denn Sie sind dabei, einen Pakt mit dem Teufel einzugehen.«
»Ich weiß, Direktor«, sagte Sarah nur.
In diesem Moment wurde von außen gegen die stählerne Tür der Verhörkammer geklopft. Cranston öffnete, und ein hohlwangiger Mann in der Uniform eines Gefängniswärters erschien.
»Der Gefangene ist jetzt zum Verhör bereit.«
Nicht nur Sykes, auch Dr. Cranston und Sir Jeffrey blickten Sarah noch einmal prüfend ins Gesicht, die sich Mühe gab, entschlossen zu wirken und ihre Furcht zu verbergen.
»Also gut«, sagte Sykes schließlich, »es ist Ihre Entscheidung. Führen Sie den Gefangenen herein.«
»Jawohl, Sir.«
Der Uniformierte verschwand, und während Sarah auf einer Seite des Verhörtisches Platz nahm, wandten ihre drei Begleiter sich zum Gehen – nicht ohne ihr jeder noch einen beredten Blick zuzuwerfen, der eine Mischung aus Unverständnis, Bewunderung und Bedauern enthielt. Sir Jeffrey war der Letzte, der die Kammer verließ. Auf der Schwelle blieb er stehen und wandte sich noch einmal um.
»Und Sie sind wirklich sicher …?«
»Allerdings.« Sarah zwang sich zu einem Lächeln. »Gehen Sie nur, alter Freund.«
»Sehen Sie sich vor, Sarah. Selbst ein noch so gesunder Verstand vermag sich nur eine begrenzte Zeit dem Wahnsinn auszusetzen, ohne selbst dabei Schaden zu nehmen.«
»Ich weiß«, sagte Sarah mit belegter Stimme. Sie war sich des Risikos, das sie einging, durchaus bewusst. Dennoch gab es keinen anderen Weg.
Jeffrey Hull schien das einzusehen, denn er nickte und verließ die Kammer, deren braune Backsteinwände von einer Gaslaterne in fahles Licht getaucht wurden. Einen quälenden Augenblick lang blieb Sarah mit ihren Ängsten und Befürchtungen allein. Ihre Handflächen waren feucht, ihr Magen verkrampfte sich schmerzhaft. Dann näherten sich von draußen Schritte. Begleitet wurden sie vom hellen Klirren eiserner Fesseln. Die Tür aus grau gestrichenem Stahl wurde abermals geöffnet, und zwei uniformierte Wärter erschienen. Im Schlepp hatten sie den Mann, der Sarah in diesem Augenblick mehr denn je als ihre persönliche Nemesis, als ein fleischgewordener Albtraum erschien.
Mortimer Laydon schien in keiner Weise überrascht zu sein, sie zu sehen. Ein widerwärtiges Grinsen im Gesicht, ließ er sich auf den freien Stuhl fallen. Seine stechenden Augen waren auf Sarah gerichtet, während die Wärter darangingen, seine Hand- und Fußschellen in den dafür vorgesehenen Ösen im Boden zu verankern. Auf diese Weise wollte man Übergriffe von Seiten des Gefangenen ausschließen. Sarah wusste, dass diese Bemühungen geradezu lächerlich waren. Die Gefahr, die von Mortimer Laydon ausging, war nicht körperlicher Natur. Es waren seine Worte, die verletzten, und seine Gedanken, die vergifteten …
Es kostete sie alle Überwindung, seinem Blick standzuhalten. So viel Wut und Aggression, so viel mühsam zurückgehaltener Wahnsinn lag darin, dass Sarah darunter erschauderte. Der Welle an Bosheit zu trotzen, die ihr von der anderen Seite des Tisches entgegenschwappte, ohne dass auch nur ein Wort gesprochen worden war, bereitete ihr seelische Qualen, aber sie hielt tapfer aus.
Endlich hatten die Wärter den Raum verlassen und die Tür hinter sich geschlossen, und Sarah war mit Laydon allein.
»Bravo«, sagte er, und seine Stimme triefte derart vor Hohn und Spott, dass es Sarah fast körperlich schmerzte. Sie starrte in seine ausgemergelten, hassverzerrten Züge und fragte sich, wie sie in diesem Mann jemals einen Freund hatte sehen können. Trotz der Bluttat, die er in Alexandria begangen, trotz der grausamen Morde, mit denen er das Londoner East End in Angst und Schrecken versetzt hatte, hatte sich Mortimer Laydon weiter als ihr Vertrauter ausgegeben, als ihr väterlicher Gönner und Pate. Erst im Schatten von Thot war offenbar geworden, dass er nicht nur der Mörder ihres Vaters war, sondern noch ungleich mehr …
»Lob aus deinem
Weitere Kostenlose Bücher