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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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einzuwenden.
    Auch Sarah jagte die Vorstellung, ihr Geliebter müsste zwangsernährt werden, kalte Schauer über den Rücken. »Wenn es die einzige Methode ist, Kamal am Leben zu erhalten, dann wenden wir sie an«, sagte sie dennoch mit fester Stimme.
    »Schön und gut, aber die Ernährung des Patienten ist keineswegs das einzige Problem«, wandte Dr. Cranston ein. »Sollte sein Zustand, wie ich vermute, tatsächlich auf eine wodurch auch immer reduzierte Gehirntätigkeit zurückzuführen sein, ist er äußerst labil und kann sich kurzfristig ändern.«
    »Wie kurzfristig«, wollte Sarah wissen, obwohl sie sich vor der Antwort fürchtete. »Wovon sprechen wir hier? Von Wochen? Tagen?«
    »Möglicherweise – vielleicht auch nur von Stunden«, erwiderte Cranston, und Sarah entging nicht der strafende Blick, mit dem Sir Jeffrey ihn bedachte.
    »In jedem Fall arbeitet die Zeit gegen uns, richtig?«, fragte Sarah, während sie sanft über Kamals Stirn strich und die Schweißperlen abwischte. Erneut dachte sie daran, dass sie noch vor wenigen Tagen in seinen Armen gelegen hatte, dass sie einander geliebt und gehofft hatten, dass die Nacht niemals zu Ende gehen und der neue Tag niemals anbrechen würde.
    Eine Hoffnung, die sich jäh zerschlagen hatte …
    Erneut wollten ihr Tränen in die Augen treten, und diesmal konnte sie es nicht ganz verhindern. Ein einzelnes Rinnsal bahnte sich einen Weg über ihre rechte Wange, während sie die reglose Hand ihres Geliebten hielt und sich an den Schwur erinnerte, den sie geleistet hatte, das Versprechen, ihn niemals im Stich zu lassen.
    »Niemals«, sagte sie leise.
    So gering die Erfolgsaussichten sein mochten und so vage die Thesen, die Cranston und seine Kollegen aufgestellt hatten – etwas gab es doch, das Sarah in der Auffassung bestärkte, dass sie damit richtig liegen mochten. Denn auch wenn außer ihr kaum jemand an die Theorie der vier Eindringlinge glaubte – Sarah wusste, was sie gesehen und empfunden hatte, und hegte nicht den geringsten Zweifel daran, dass diese Leute die Urheber von Kamals Zustand waren, und sie gab sich keinen Illusionen hin, was den Grund ihres Handelns betraf. Wäre es jenen Leuten darum gegangen, Kamal zu töten, hätten sie dies ohne Schwierigkeit tun können. Aber er war noch am Leben, und das sicher nicht aus Zufall, sondern weil seine Peiniger es so gewollt hatten. Ganz offenbar verfolgten sie ein bestimmtes Ziel, und dieses Ziel betraf nicht etwa Kamal, sondern sie selbst …
    Sarah erinnerte sich, wie sie sich mit Händen und Füßen gegen Kamals Vermutung gewehrt hatte, seine Verhaftung könnte auf das Betreiben jener ominösen Macht hin zustande gekommen sein, die er als »Meherets Erben« zu bezeichnen pflegte und die schon zweimal in Sarahs Leben getreten war und dort furchtbar gewütet hatte. Was geschehen war, trug deutlich die Handschrift der Organisation, die sich mit außerordentlicher Finesse darauf verstand, ihre eigenen Ziele zu denen anderer zu machen, Sarah Dinge tun zu lassen, die sie eigentlich nicht tun wollte – genau wie bei ihrem Vater. Wer immer im Verborgenen die Fäden zog, offenbarte sich einmal mehr als wahrer Meister der Manipulation und der Intrige – und Sarah hatte das untrügliche Gefühl, in seine Fänge geraten zu sein.
    Ausgehend von dieser Erkenntnis, gab es nur zwei Möglichkeiten. Entweder sie wandte sich ab, überließ Kamal seinem Schicksal und vermied es auf diese Weise, erneut zum Spielball der Organisation zu werden, deren Gier nach Macht und Einfluss selbst jene Bonapartes noch in den Schatten stellte; oder aber sie begab sich auf die Suche nach einem Heilmittel für Kamal und spielte damit wider besseres Wissen erneut den Verschwörern in die Hände, zu welchem dunklen Zweck auch immer.
    Sarah wusste nur zu gut, wozu Kamal ihr geraten hätte. Ihr Geliebter hätte es fraglos als unerträglich empfunden, dass sie sich seinetwegen erneut ihrer Nemesis aussetzte und damit jenem Albtraum, der sie seit dem Tod ihres Vaters verfolgte. Aber Kamal war nicht hier, um ihr zuzureden. Er schwebte irgendwo im Niemandsland zwischen Leben und Tod, und es war allein an Sarah zu entscheiden. Diese Entscheidung aber war längst getroffen, in dem Augenblick, als sie Kamal ihr Wort gegeben hatte.
    Der Gedanke, dass sie sich auf gefährliches Terrain begab, dass womöglich noch größere Schrecken auf sie warten würden als jene, die hinter ihr lagen, dass sie dem unbekannten Feind damit zuarbeitete und vermutlich

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