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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Mund?«, fragte sie kühl und konnte ihren Ekel kaum unterdrücken. »Wie überaus wenig schmeichelhaft für mich.«
    »Nicht doch«, erwiderte er und erging sich einmal mehr in seinem heiseren, von Irrsinn gezeichneten Kichern, »wer wird denn so abweisend sein? Schließlich bin nicht ich es gewesen, der um diese Unterredung gebeten hat, sondern du – wobei ich dir im Hinblick auf die Örtlichkeit einen besseren Geschmack zugetraut hätte. Das letzte Mal hast du mich mit einem guten Claret bewirtet.«
    »Das letzte Mal«, entgegnete sie und hatte Mühe, dabei ruhig zu bleiben, »wusste ich auch noch nicht, was für ein Scheusal du bist.«
    »Jetzt weißt du es?«
    »Allerdings.«
    »Dann frage ich mich, weshalb wir hier sind. Was hat dich dazu gebracht, deine Meinung über mich zu ändern?«
    »Ich habe meine Meinung keineswegs geändert«, stellte Sarah fest. »Ich halte dich noch immer für ein Monstrum in Menschengestalt, und ich verabscheue, was du getan hast …«
    »Aber?«, fragte er dazwischen.
    »Kein Aber«, beeilte sie sich zu versichern. Sie spürte, dass sie sich auf unsicheres Terrain begab. Wie es dazu kam, wusste Sarah nicht zu sagen, aber Laydon war schon wieder dabei, sie zu manipulieren, und einmal mehr kam sie sich von ihm bis ins Mark durchschaut vor. »Bei unserem letzten Treffen sagtest du, dass wir uns wiedersehen würden.«
    »Und ich habe Recht behalten, nicht wahr?«
    »In der Tat.« Sarah nickte. »Was machte dich so sicher?«
    »Was wohl?« Wieder ein kehliges, seelenloses Kichern. »Meine Einsicht.«
    »Welche Einsicht?«
    »Die ich schon vor langer Zeit gewonnen habe. Die auch dein Vater hätte gewinnen können, wenn er nicht so ein verdammter Narr gewesen wäre. Und die auch du dir hättest zu eigen machen können, mein Kind.«
    »Nenn mich nicht so. Das ist vorbei.«
    »Ich bin immer noch dein Patenonkel, oder nicht?«
    »Längst nicht mehr.« Sie schüttelte den Kopf. Der Gedanke, dass ihr Vater Laydon für wert befunden hatte, der Pate seines einzigen Kindes zu sein, widerte sie an.
    »Derlei Bande reißen nicht«, wandte er ein.
    »Du hast sie eigenhändig durchschnitten.«
    »Und ob ich das habe.« Über seine aschfahlen, knochigen Züge legte sich ein diabolisches Grinsen. »Mit einem scharfen Messer.«
    »Du bist widerwärtig.«
    »Weißt du, was dein Vater sagte, nachdem ich ihm die Klinge in den Rücken gestoßen hatte?«
    »Das ist mir gleichgültig«, erwiderte sie, konnte jedoch nicht verhindern, dass ihre Stimme dabei angegriffen und heiser klang. Am liebsten hätte sie hinzugefügt, dass sie es auch niemals erfahren wollte, aber sie durfte sich vor Laydon keine Schwäche leisten. Sie musste gefasst und gleichgültig wirken, als ob Laydons Worte sie nicht im Entferntesten berührten. Nur so hatte sie eine Chance, diese Unterredung mit heiler Seele zu überstehen …
    »Ich werde es dir trotzdem verraten«, entgegnete er genüsslich und senkte seine Stimme, als hätte er ihr ein Staatsgeheimnis anzuvertrauen. »Er sagte nichts. Kein einziger Laut drang aus seiner Kehle. Früher dachte ich, dass es der Schmerz gewesen wäre, der seine Lippen versiegelte, aber inzwischen weiß ich es besser. Ich hatte viel Zeit, darüber nachzudenken …« Wieder kicherte er, heller Wahnsinn loderte in seinen Augen. »Heute weiß ich, dass es nicht der Schmerz war, der den guten Gardiner Kincaid verstummen ließ, sondern das Entsetzen – denn in diesem einen Augenblick erfasste sein beschränkter Geist, mit wem er sich eingelassen hatte. Begreifst du diese Ironie, Sarah? Verstehst du, was ich dir zu sagen versuche? Erst am Ende seines Lebens, als sich blanker Stahl durch seine Eingeweide fraß, wurde dem alten Narren klar, welch verhängnisvollen Fehler er begangen hatte.«
    »Warum erzählst du mir das?«, wollte Sarah wissen, die mit aller Macht gegen die Tränen ankämpfte. Ausgerechnet von Gardiners Mörder an jene schmerzlichen Momente erinnert zu werden, kam einer seelischen Folter gleich.
    »Warum wohl?«, fragte er mit Unschuldsmiene dagegen und brachte es fertig, auf eine Weise zu lächeln, die eine wehmütige Reminiszenz an den anderen, den alten Mortimer Laydon weckte, den Sarah geliebt und geachtet hatte, obgleich er nur eine Illusion gewesen war.
    »Um mich zu quälen«, knurrte sie tonlos.
    »Aber nicht doch! Wenn du das glaubst, so verkennst du meine Absichten! Mir ging es stets nur darum, dich zu beschützen und zu fördern, Sarah.«
    »Wolltest du mich deshalb aus dem Weg

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