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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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bezeichnen – als Dunkelzeit.«
    »I-ich verstehe«, erwiderte Sir Jeffrey erschüttert. »Und Sie denken, dass jenes rätselhafte Fieber und Kamals Zustand …«
    »Anfangs wollte ich es nicht wahrhaben, denn die Folgerungen, die sich daraus ergeben, machen mir Angst«, gestand Sarah offen. »Aber die Parallelen sind unübersehbar. Vieles spricht dafür, dass Kamal dasselbe widerfahren ist, was auch mir als Kind widerfuhr – und dass Laydon das Geheimnis der Heilung kennt.«
    »Dann soll er es augenblicklich verraten«, platzte Sir Jeffrey heraus. »Ich werde umgehend Superintendent Fox verständigen. Die Polizei kennt Mittel und Wege, um schweigsame Zeugen gesprächig zu machen. Ich werde …«
    »Nein«, sagte Sarah nur.
    »Nein? Aber …«
    »Wie Sie schon sagten – Laydons Verstand ist mit Bosheit vergiftet. Was er nicht preisgeben will, das wird er auch nicht preisgeben. Alles, was ich tun kann, ist, nach seinen Regeln zu spielen und den Hinweisen nachzugehen, die er mir gibt.«
    »Und er hat Ihnen geraten, in der Bibel nachzuschlagen?«, fragte Sir Jeffrey zweifelnd.
    »Um genau zu sein, im Alten Testament«, bestätigte Sarah mit müdem Lächeln. »Im Buch Genesis.«
    »Und Sie denken nicht, dass der Erzschurke Sie nur einmal mehr hinters Licht führen wollte? Vergessen Sie nicht, was er Ihnen angetan hat …«
    »Sir Jeffrey.« Jeder Anflug von Heiterkeit wich aus Sarahs Miene, ihre Brauen senkten sich. »Sie dürfen mir glauben, dass seit Alexandria kein einziger Tag verstrichen ist, an dem ich nicht an meinen Vater gedacht habe und an die Schrecken, die Mortimer Laydon über uns gebracht hat. Dennoch kann ich nicht von ihm lassen. Es mag nur ein Gefühl sein, aber ich kann mich des Eindrucks nicht erwehren, dass alles zusammenhängt.«
    »Wovon genau sprechen Sie?«, fragte Hull und verschränkte die Arme vor der Brust, wie er es oft getan hatte, wenn er Zeugen vor Gericht berufen und sie befragt hatte. »Erklären Sie es mir bitte.«
    »Wie Sie wollen.« Sarah begriff, dass es auf dem Weg, den sie eingeschlagen hatte, kein Zurück mehr gab. Sie hatte entschieden, Sir Jeffrey einzuweihen, also hieß es nun, auch damit fortzufahren … »Vorletzte Nacht hatte ich einen seltsamen Traum«, eröffnete sie.
    »Einen Traum«, echote Sir Jeffrey.
    »Es war eine Szene aus der griechischen Mythologie: Ein Leichenzug näherte sich dem Ufer des Flusses Styx, wo der Tote zurückgelassen und Charon, dem Fährmann zum Hades, übergeben wurde.«
    »Und?« Sir Jeffrey schürzte die Lippen. »Verzeihen Sie meine Ignoranz, Sarah – aber für eine Archäologin scheint mir dies kein sehr ungewöhnlicher Traum zu sein.«
    »Er ist noch nicht zu Ende«, stellte Sarah klar. »Als ich mich dem Ufer näherte und den Toten genauer in Augenschein nahm, sah ich, dass es kein anderer als Kamal war. Und wie die Verstorbenen im alten Griechenland hatte er eine Münze unter der Zunge als Tribut für den Fährmann.«
    »Ist das Ihr Ernst?«
    »Mein voller Ernst, Sir Jeffrey. Keine vier Stunden, nachdem ich aus diesem Traum erwachte, fand ich Kamal in seiner Zelle liegend, auf den ersten Blick leblos und mit einem Stück Papier unter der Zunge. Und nun frage ich Sie: Ist dies ein Zufall gewesen?«
    »Wer weiß, Sarah? Als Wissenschaftlerin sollten Sie nicht …«
    »Ich bin dem Pfad der Wissenschaft mein Leben lang gefolgt, Sir Jeffrey, aber irgendwann musste ich erkennen, dass es zwischen Himmel und Erde Dinge gibt, die die Wissenschaft allein nicht erklären kann. Dies scheint mir ein solches Rätsel zu sein.«
    »Nun – natürlich ist es Ihr gutes Recht, dies anzunehmen. Aber ich sehe nicht, worin der Zusammenhang …«
    »Charon ist nicht nur der Name des Totenschiffers der Antike«, fuhr Sarah in ihrer Erklärung fort, »sondern so nannte sich auch der Einäugige, der uns in Alexandrien nach dem Leben trachtete. Und schließlich war der Zettel in Kamals Mund mit dem Zeichen des Zyklopen versehen – dem Symbol jener verbrecherischen Organisation, in deren Diensten Laydon stand.«
    »Aber …«
    »Wenn Sie mich fragen, wohin uns das bringt, so weiß ich darauf keine Antwort, Sir Jeffrey«, fuhr Sarah fort, »jedenfalls jetzt noch nicht. Mein Vater sagte, dass die Wurzeln jener Organisation bis an die Anfänge der Menschheit zurückreichen und dass große Namen mit ihr verbunden wären. Absolute Macht zu erlangen, scheint ein Ziel zu sein, das ihre Anhänger rücksichtslos verfolgen. Welche Rolle ich in ihren Plänen spiele,

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