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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Umgangsform zum Trotz. Sarah seufzte. Für sie stand fest, dass es ihre Beharrlichkeit gewesen war, die den königlichen Berater aus seinem eigenen Speisezimmer vertrieben hatte, und sie schalt sich selbst dafür, dass sie ihre Gedanken laut ausgesprochen hatte.
    Endlich wollte sie sich einen Löffel Suppe gönnen, als Sir Jeffrey zurückkehrte, in der Hand eine Zeitung. »Ich hatte schon befürchtet, der gute Finnegan hätte sie zum Anfeuern des Kamins benutzt«, sagte er dazu und legte die Zeitung vor Sarah auf den Tisch. »Die vierte Seite«, sagte er nur. »Lesen Sie.«
    Sarah war erstaunt. Anders, als sie erwartet hatte, konnte sie in den Zügen ihres Gastgebers weder Tadel noch Pikiertheit erkennen. Im Gegenteil, Sir Jeffrey war plötzlich sehr ernst geworden, der altväterliche Zug war aus seiner Miene verschwunden.
    Bereitwillig kam Sarah seiner Aufforderung nach. Die Zeitung datierte vom 19. September, war also bereits eine Woche alt. Die Schlagzeile berichtete von Rekordgewinnen am Stock Exchange sowie von einem Führungswechsel an der Spitze der Admiralität. Gehorsam schlug Sarah die angegebene Seite auf und erstarrte, als sie die in schwarzen Blocklettern gehaltene Schlagzeile las:
    DIE RÜCKKEHR DES GOLEM? Prager Juden in Furcht vor Sagengestalt
    Zweifelnd schaute Sarah auf und schickte Sir Jeffrey einen fragenden Blick. »Lesen Sie«, verlangte dieser noch einmal, und Sarah überflog den Artikel.
    Die Geschichte des Golems ist altbekannt. Der Sage nach hat der geheimnisumwitterte Rabbi Löw im 16. Jahrhundert eine Kreatur aus Lehm geschaffen, die den Bewohnern der Prager Judenstadt dienen sollte. Da das menschliche Bestreben, aus Leblosigkeit Leben entstehen zu lassen, jedoch scheiterte und der Golem mehr und mehr zur Bedrohung wurde, blieb dem Rabbi schließlich nichts anderes übrig, als seine Schöpfung zu vernichten. Einige Stimmen jedoch behaupten, dass der Golem bis zum heutigen Tage existiere und tief unter der Stadt seine Bleibe hätte. Nichts als Legenden freilich, die jedoch dieser Tage neue Nahrung erhalten, denn die riesenhafte Kreatur soll in den vergangenen Wochen wiederholt in den Gassen der Josephsstadt gesichtet worden sein. Während die Polizei vor einem Rätsel steht und die Vertreter der katholischen Kirche versichern, dass ein solches Wesen nicht existiere, geht die Furcht um im Judenviertel. Denn wie der schriftkundige Rabbiner Mordechai Oppenheim zu berichten weiß, verheißt die Rückkehr des Golem das baldige Ende der Welt …
    Nachdem sie mit der Lektüre geendet hatte, schwieg Sarah eine Weile. »Leben entstehen zu lassen«, echote sie dann nachdenklich, »nichts anderes bedeutet ›Genesis‹ übersetzt. Sollte es das gewesen sein, was Laydon meinte …?«
    »Als ich Ihnen vorhin zuhörte, musste ich plötzlich an diesen Artikel denken«, sagte Sir Jeffrey. »Ich muss gestehen, dass ich, als ich ihn das erste Mal las, kein Wort davon geglaubt habe. Aber nach allem, was Sie mir erzählten …«
    »… halten Sie es für möglich, dass Laydon darauf angespielt hat«, brachte Sarah den Satz zu Ende.
    »Es erscheint mir noch immer unwahrscheinlich genug«, schränkte der königliche Berater ein. »Vielleicht hat Laydon auch nur auf irgendeine Weise Kenntnis von diesem Artikel bekommen und legt es nun darauf an, Sie in die Irre zu führen.«
    »Kaum.« Sarah schüttelte den Kopf. »Direktor Sykes hat mir erklärt, dass die Gefangenen keine Zeitungen zu lesen bekommen.«
    »Wie könnte er dann von solchen Dingen erfahren haben?«
    »Das ist allerdings die Frage«, bekräftigte Sarah. »Entweder er wusste tatsächlich nichts davon und wir vermuten hier Zusammenhänge, die gar nicht existieren. Oder aber jemand hat Laydon instruiert, mir diese Anweisungen zu geben, weil dieser Jemand wusste, dass ich mich zuerst an ihn wenden würde.«
    »Eine beängstigende Vorstellung«, stellte Sir Jeffrey fest.
    »Damit haben Sie zweifellos Recht«, stimmte Sarah zu, »aber doch nicht halb so beängstigend wie die Aussicht, nichts für Kamal tun zu können und jener fremden Macht hilflos ausgeliefert zu sein.«
    »Was also werden Sie tun?«
    »Ich brauche mehr Informationen«, gab Sarah zur Antwort. »Können Sie für mich einen Termin in der Bibliothek des British Museum erwirken?«
    »Natürlich, Sarah. Aber zuerst sollten Sie sich ausruhen – und vor allem etwas essen.«
    »Dazu ist keine Zeit, Sir Jeffrey«, entgegnete Sarah, deren Forscherdrang nun vollends erwacht war. »Dieses Rätsel

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