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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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entzieht sich meiner Kenntnis. Aber ich weiß, dass Mortimer Laydon meine einzige Verbindung zu jenen Menschen ist und dass jeder einzelne Hinweis von ihm, und wäre er noch so unglaubwürdig, im Augenblick meine einzige Chance darstellt, Kamal zu helfen.«
    Sir Jeffrey hatte aufmerksam zugehört. Wer das Mienenspiel des königlichen Beraters zu deuten wusste, der konnte deutlich sehen, dass sein Argwohn keineswegs gemildert war; aber Hull schien Sarahs Argumente immerhin zu respektieren. »Und das ist alles?«, erkundigte er sich schließlich, als ahnte er, dass Sarah ihm noch nicht die ganze Wahrheit enthüllt hatte.
    »Das ist alles«, erwiderte sie – Sir Jeffrey auch noch den anderen schrecklichen Verdacht zu offenbaren, der tief in ihr nagte, dazu war sie noch nicht bereit.
    »Also gut«, sagte der königliche Berater und nickte bedächtig. »Da Sie mir nun geschildert haben, was Sie bewegt, fällt es mir leichter, Ihre Handlungsweise nachzuvollziehen, Sarah – auch wenn ich Ihnen nicht in allen Punkten zustimmen kann.«
    »Das ist mir klar, Sir Jeffrey«, entgegnete Sarah, »aber ich danke Ihnen für Ihr Verständnis.«
    »Dennoch«, fuhr der Q. C. unbeirrt fort, »würde es mich interessieren, ob Sie schon etwas herausgefunden haben. Hat Ihnen die Bibel ein Geheimnis offenbart, das Ihnen bislang verschlossen war?«
    »Nein, Sir Jeffrey«, gab Sarah ehrlich zu, »bislang nicht. Ich habe den gesamten Schöpfungsbericht studiert, habe vom Sündenfall gelesen, von der Arche Noah, vom Turmbau zu Babel und den Stammvätern Israels – aber entgegen Laydons Behauptung habe ich nichts gefunden, das Kamal auch nur ansatzweise helfen könnte.«
    »In diesem Fall«, meinte der königliche Berater und gab sich ein wenig versöhnlicher, »würde ich Sie gerne ins Speisezimmer entführen. Von meiner Haushälterin Kathy weiß ich, dass Sie heute noch keinen Bissen gegessen haben. Ich habe mir daher erlaubt, eine leichte Mittagsmahlzeit zubereiten zu lassen.«
    »Das ist sehr freundlich von Ihnen«, erwiderte Sarah, »aber ich habe keinen Hunger.«
    »Ein Nein als Antwort lasse ich nicht gelten«, stellte Sir Jeffrey klar. »Sie müssen auf Ihre Gesundheit achten und bei Kräften bleiben, sonst können Sie Kamal nicht mehr helfen – und das ist es doch, was Sie wollen, oder nicht?«
    »Mehr als alles andere«, gab Sarah zu.
    »Dann kommen Sie mit und essen Sie«, bestimmte er ebenso väterlich wie endgültig, sodass Sarah nichts anderes übrig blieb, als seiner Aufforderung Folge zu leisten – zumal sie wusste, dass Sir Jeffrey Recht hatte. Wenn sie vor Schwäche und Übermüdung zusammenbrach, würde Kamal damit nicht gedient sein.
    Seufzend schlug sie das in Leder geschlagene Buch zu und ließ es sinken, nicht ohne sich die betreffenden Seiten vorher eingeprägt zu haben. Dann folgte sie ihrem Gastgeber hinaus auf den Flur, an dessen Ende das Speisezimmer lag. Der Geruch von frisch zubereiteter Fleischsuppe, der von einer dampfenden Silberterrine aufstieg, erfüllte den Raum, und plötzlich wurde Sarah bewusst, wie hungrig sie tatsächlich war. Bereitwillig nahm sie Platz, worauf eines der Hausmädchen ihr einen Teller aus weißem Porzellan kredenzte und ihn mit würzig duftender Suppe füllte.
    »Essen Sie«, forderte Sir Jeffrey sie vom gegenüberliegenden Ende der Tafel auf. »Sie werden sehen, wie gut es Ihnen tut.«
    Sarah nickte und griff nach dem Löffel, tauchte ihn in die dampfende Brühe, auf der gelbe Fettaugen schwammen.
    »Wissen Sie, was mir nicht aus dem Kopf will?«, fragte sie dabei.
    »Was denn?«
    »Laydons letzte Worte. Er sagte etwas, das keinen Sinn ergab, und trotzdem werde ich den Eindruck nicht los, dass es von Bedeutung gewesen sein könnte.«
    »So? Und was sagte er?«
    »Dass man den Juden nicht von ungefähr die Schuld geben würde«, zitierte Sarah den Schurken.
    Sir Jeffrey gab einen verächtlichen Laut von sich. »Das Gefasel eines Schwachsinnigen«, meinte er überzeugt.
    »Durchaus möglich«, rätselte Sarah. »Der Satz war völlig aus dem Zusammenhang gerissen und ergibt auf den ersten Blick keinen Sinn. Dennoch habe ich das Gefühl, dass Laydon mir damit etwas sagen wollte. Etwas, das eine Verbindung herstellt zwischen Kamals Zustand und dem Buch Genesis. Das Judentum scheint dabei eine Rolle zu spielen, aber ich sehe nicht, wie …?«
    Sie unterbrach sich, als Sir Jeffrey sich plötzlich erhob und die Tafel ohne ein Wort der Entschuldigung oder des Bedauerns verließ, jeder guten

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