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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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Geheimnis dieses düsteren Ortes nun endlich lüften?
    Lautlos schlich sie weiter. In ihrem schwarzen Mantel, der schwer und durchnässt an ihr hing, unterschied sie sich kaum von ihrem Schatten, den der Schein der Petroleumlaterne an die Stollenwand warf. Endlich erreichte sie das Endes des Ganges, der allem Anschein nach in eine Art Höhle oder Kammer überging.
    Vorsichtig verlangsamte Sarah ihren Schritt und warf einen ersten Blick hinein.
    Der Raum, den eine Laune der Natur vor undenklicher Zeit geschaffen haben mochte, war von länglicher Form. Zwei Fackeln, die zu beiden Seiten des Eingangs in rostigen Wandhalterungen steckten, waren der Ursprung des flackernden Lichts.
    Offenbar handelte es sich um eine Art Opferhöhle oder Tempel, vielleicht auch um ein geheimes Labor -anders ließen sich die steinernen Tische, die entlang der Wände in den Fels gehauen waren, nicht erklären. Allerlei Gegenstände lagen darauf verstreut, die einem Alchimisten zur Ehre gereicht hätten, dazwischen stapelten sich in altes Leder gebundene Bücher und Landkarten. Die Decke der unterirdischen Kammer war glatt behauen, ebenso wie der Boden, in dessen Mitte ein nur zu bekanntes Zeichen prangte.
    Das Symbol des Einen Auges!
    Sarah kam nicht dazu, über diese Entdeckung bestürzt zu sein, denn ein Geräusch, das von der gegenüberliegenden Seite des Labors drang, ließ sie aufhorchen. Den Colt in der Hand, fuhr sie herum, nur um festzustellen, dass es am anderen Ende der länglich geformten Kammer einen niederen Durchgang gab, der in einen Nebenraum zu führen schien. Von dort war das Geräusch gekommen, das sich in diesem Augenblick wiederholte.
    Ein Scharren, dann ein dumpfes Schnauben oder Stöhnen. Jemand schien sich in dieser Kammer aufzuhalten …
    Sarah beschloss nachzusehen.
    Die Laterne stellte sie auf dem Boden ab, sodass ihr Schein in den Nebenraum fiel. Dann fasste sie den Revolver mit beiden Händen und bewegte sich vorsichtig auf den Durchgang zu. Halb rechnete sie damit, dass ihr ein schwarz vermummter Hüne daraus entgegenstürzen würde, aber einmal mehr wurde sie in ihren Erwartungen getäuscht. Denn was sie hinter dem Durchgang vorfand, war keineswegs ein Riese, sondern ein – noch dazu nicht gerade aufgeschossener – Schweizer, den sie nur zu gut kannte …
    »Friedrich!«, entfuhr es ihr entsetzt, als sie den Freund erblickte. Hingis’ Beine waren gefesselt, ebenso wie seine Arme, die man ihm auf den Rücken gebunden hatte. Im Mund hatte er einen Knebel, der ihn am Sprechen hinderte, die Nickelbrille saß schief und verbogen auf seiner Nase.
    Seine Reaktion, als er Sarah erblickte, war zwiespältig. In seinen Blicken spiegelte sich Hoffnung, aus seinem Rachen jedoch drangen unartikulierte Laute, die sich nach blankem Entsetzen anhörten.
    »Was ist passiert?«, wollte Sarah wissen und stürzte zu ihm. »Du warst plötzlich verschwunden …«
    Sie befreite ihn von dem Knebel und wollte auch seine Hand- und Fußfesseln lösen, der Schweizer jedoch ließ es nicht dazu kommen. »Sie müssen fliehen, Sarah«, zischte er heiser, »dies ist eine Falle, und ich bin nichts weiter als der Kö …«
    Er kam nicht mehr dazu, das letzte Wort auszusprechen.
    Noch ehe er geendet hatte, ließ sich ein hässlich ratterndes Geräusch vernehmen – und unmittelbar hinter Sarah fiel ein Gitter aus massiven Eisenstäben aus der Decke des Durchgangs und krachte geräuschvoll zu Boden.
    »Nein!«
    Sarah, der in diesem Moment dämmerte, dass sie einen verhängnisvollen Fehler begangen hatte, fuhr herum. In einer spontanen, aber herzlich sinnlosen Geste packte sie das rostige Eisen und versuchte, es anzuheben – vergeblich. Sie saß in der Falle wie eine Maus, die man mit einem Stück Speck geködert hatte, und sie schalt sich eine Närrin, dass sie darauf hereingefallen war.
    »Das war es, was ich Ihnen sagen wollte«, meinte Hingis zerknirscht, während Sarah nun doch daranging, ihn von seinen Fesseln zu befreien. »Kurz nachdem Sie in die Synagoge gegangen waren, tauchte er plötzlich auf. Cranston und ich beschlossen, ihm zu folgen, aber er war schlauer als wir. Im Gewirr der Gassen verloren wir einander. Ich weiß noch, dass ich Cranstons Namen rief und einen dunklen Schatten an der Wand sah, dann wurde es plötzlich dunkel um mich.«
    »Man hat Sie bewusstlos geschlagen?«
    »Keineswegs«, empörte sich der Gelehrte, »in einen Sack hat er mich gesteckt wie einen ungezogenen Knaben und schnurstracks hierher

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