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Am Ufer Des Styx

Am Ufer Des Styx

Titel: Am Ufer Des Styx Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Peinkofer
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oder ihn am Leben zu lassen. Sie entschieden sich für Letzteres – und wurden für ihre Güte hart bestraft. Denn der Verräter ließ nichts unversucht, um seine Pläne weiter zu verfolgen. Er begann, eine ergebene Anhängerschaft um sich zu scharen, die sich »Bruderschaft des Einen Auges« nannte. Heftiger Streit setzte daraufhin unter den Unsterblichen ein, und sie entzweiten sich und führten Krieg gegeneinander. Das Buch von Thot, das das Geheimnis des Feuers enthielt, wurde an einen sicheren Ort gebracht, wo es die Jahrtausende überdauerte. Das Geheimnis der Unsterblichkeit jedoch wurde Alexander anvertraut, der dafür feierlich erklärte, in den Dienst der Bruderschaft treten und in ihrem Namen ein Großreich gründen zu wollen. Doch das Wasser des Lebens verfehlte seine Wirkung. Philip starb, und Alexander nutzte zwar die Macht, die ihm die Organisation verlieh, wandte sich jedoch später von ihren Lehren ab und beschritt eigene Wege.«
    »Ich weiß«, räumte Sarah ein, die nun den einen oder anderen Zusammenhang zu durchschauen begann. »Aber weshalb hat das Wasser des Lebens seine Wirkung verfehlt?«
    »Dies«, erwiderte der Zyklop und versuchte ein Lächeln, was seltsam aussah, angesichts seiner missgestalteten Gesichtszüge, »ist bis zum heutigen Tag ein Geheimnis, Lady Kincaid. Aber wenn es stimmt, was man vermutet, so werden Sie dieses Geheimnis lüften, aufgrund Ihrer Natur und Ihrer Berufung.«
    »Nun sprechen Sie wieder in Rätseln«, rügte Sarah. »Ich verstehe nicht ein einziges Wort von dem, was Sie sagen.«
    »Vielleicht«, konterte der Zyklop und griff unter die weiten Falten seines Umhangs, »wird das hier helfen, einige Ihrer Fragen zu beantworten.«
    Sarah, die damit rechnete, dass der Einäugige eine Waffe zog, riss den Revolver, den sie langsam hatte sinken lassen, wieder in den Anschlag – nur um zu erkennen, dass es keineswegs eine Waffe war, die der Zyklop hervorholte, sondern ein würfelförmiger, metallener Gegenstand, dessen Anblick sie allerdings kaum weniger bestürzte.
    »Ein Codicubus!«, entfuhr es Hingis und ihr fast gleichzeitig, als sie das eigentümliche Gebilde gewahrten. Die Kantenlänge des Würfels betrug an die vier Inches; fünf der sechs Seiten waren mit griechischen Buchstaben versehen, nämlich jenen des Alexandersiegels, wie Sarah inzwischen wusste, auf der sechsten Seite prangte das Emblem des Einen Auges, das sie hassen und fürchten gelernt hatte …
    »Ganz recht«, bestätigte der Zyklop.
    »Was befindet sich in seinem Inneren?«
    »Bevor ich Ihnen dies offenbare, möchte ich Sie warnen, Lady Kincaid.«
    »Inwiefern?«
    »Sie sind von Verrätern umgeben.«
    »Tatsächlich?«, fragte Sarah und sandte Friedrich Hingis einen entsetzten Blick zu – der allerdings nur gespielt war. »Erwarten Sie von mir, dass ich das glaube?«, blaffte sie den Einäugigen daraufhin an. »Dass ich Menschen, denen ich mein Leben verdanke, den Rücken kehre, um einer halbseidenen Andeutung willen? Dass ich darin mehr als einen weiteren Versuch sehe, Zweifel in mein Herz zu streuen und mich zu manipulieren?«
    »Lady Kincaid, Sie missverstehen meine Absichten.«
    »Was gibt es da misszuverstehen? Sie suchen nach einem weiteren Druckmittel, um mich zu beeinflussen – aber das brauchen Sie nicht. Sie und Ihresgleichen können sich Ihre Intrigen diesmal sparen, denn um Kamal zu retten, würde ich alles tun, hören Sie? Alles! Sagen Sie das Ihren Leuten und dieser verbrecherischen Bruderschaft, deren Namen ich nun endlich erfahren habe!«
    Wenn Sarah erwartet hatte, dass ihr Gegenüber damit zufrieden sein würde, so hatte sie sich gründlich geirrt, denn der Zyklop verfiel über ihre Worte in blankes Entsetzen. »So etwas dürfen Sie nicht sagen«, beschwor er sie, »nicht einmal denken dürfen Sie es!«
    »Warum nicht?«
    »Weil Sie damit alles riskieren und vielleicht alles verlieren würden, wofür so viele ein Leben lang gekämpft haben.«
    »Aber das ist es doch, was Sie wollen, oder nicht? Dass ich mich dem Willen der Organisation füge.«
    »Nein, Lady Kincaid, Sie irren sich …«
    Verwundert hatte sich Friedrich Hingis gefragt, woher Sarah Kincaid den Schneid nahm, ihrem unheimlichen Häscher gegenüber so forsch aufzutreten. Die Antwort erhielt er, als er den Schatten bemerkte, der auf der anderen Seite des Labors in gebückter Haltung von einem steinernen Tisch zum nächsten huschte und in dem er zu seiner Erleichterung Dr. Cranston erkannte! Auch Sarah schien den

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