Am Ufer (German Edition)
der dir die Papiere besorgt hat und jetzt zurückgekommen ist, anscheinend mit Dollars, und man hat mir gesagt, er macht gute Geschäfte, er wird schon wissen mit was. Halt dich an ihn, bete zu ihm. Bitte ihn darum, sich so wie der Gott der gesegneten Hostien aufzuteilen, für jeden ein kleines Stückchen seines Körpers. Und du hol dir deins. Dein Stückchen. Pass auf, dass es dir nicht entgeht.«
»Ich glaube nicht meinetwegen an Gott, ich möchte an Gott glauben wegen meiner Kinderchen, sie kommen mir so klein, so wehrlos vor. Ich möchte, dass Gott sie nicht von der Hand lässt, so wie ich möchte, dass die Lehrer, die sie unterrichten, an der Schule bleiben. Ich kenne sie, ich spreche mit ihnen, ich weiß, dass sie gute Lehrer sind, sich um die Jungs kümmern. Gott ist eine Dienstleistung, auf die ich nicht verzichten möchte. Wenn du deine Kinder nicht Gott anbefiehlst, wemdann. Wer könnte sie hier schon lieben. Besser gar nicht drüber nachdenken. Irgendein Perverser. Meine armen Kleinen. Ich muss sie sicher wissen.«
Er schickt das Personal zum Einkaufen, sogar fürs Brot und die Zeitung schickt er das Dienstmädchen los oder den Gärtner, der die Bepflanzung des weitläufigen Patios betreut, Palme, Jakaranda, die Orangenbäume, die Araukarie, stets präsent in den Häusern der alteingesessenen Bourgeoisie; eine Pergola mit Bougainvilleen, Jasmin und Nachtjasmin, die eine dichte, schützende Pflanzenmasse bilden, und in deren Schatten, gut geschützt vor den Sonnenstrahlen, stehen zwei Korbsessel, die Sitzkissen bezogen mit kühler Baumwolle und über den Rückenlehnen naturweiße Tücher, bestickt mit farbigen Blumen – einer der wenigen alten Innengärten, die noch in Olba erhalten sind. Er hat ihn instand gesetzt, er sollte wieder so wie bei den Civeras aussehen, ganz in der Tradition der guten alten Familien. Er schickt die Dienstboten, obwohl die Bäckerei und der Kiosk zweihundert Meter vom Haus entfernt sind. Er macht den Eindruck – oder will den Eindruck vermitteln –, dass sich für ihn wenig geändert hat in all diesen in Madrid verbrachten Jahren, auf all den unternommenen Reisen. Es sieht nicht so aus, als ob er sehr viel Besuch bekäme, aber vielleicht pflegt er telefonische Beziehungen. In die Bar nimmt er, klar, das Handy nicht mit, was bei einem Mann von heute spärliche oder gar keine Arbeitsaktivität signalisiert sowie einen Mangel an Verpflichtungen und Beziehungen. Es bleiben – das schon – die Eskapaden, von denen er nicht spricht, die aber wochenlang zu geschlossenen Fensterläden führen. Ab und zu bezieht er sich bei unseren Unterhaltungen auf jene, die seine Frau war, sie wollte, sie tat, sie beschloss, es hätte ihr gefallen, sie hatte nicht mehr den nötigen Schwung, und ich wundere mich darüber, nichts Besonderes zu fühlen, keinerlei Vibration oder innerliche Bewegung, kein Beben. Ich lasse den Stein auf den Marmor klacken, die Sechs zum Abschluss, oder schlage mit dem Handrücken auf denTisch, wenn ich die Karte werfe, zwanzig auf Treff, mit dieser gleichsam wütenden Geste, die eine Koketterie des Spielers ist, auch wenn ich den Dominostein lege, mache ich das mit einem trocken hallenden Schlag. Wir Spieler machen das alle so. Ausdrucksformen der Männlichkeit, Erinnerungen an die Zeit, als das Spiel mit Waffen ausgetragen wurde. Francisco verkrüppelt ihren schönen Namen, Leonor, taucht ihn ins Vulgäre: Er nennt sie immer Leo. Kaum zu glauben, ein Schriftsteller, und so wenig Sensibilität. Wie wichtig die Worte sind, ihre Musik. Wie kann er das nicht merken, er, der sich Schriftsteller nennt. Oder gehört dieser abgehackte Name zu einer Strategie des Abbruchs, die sich über den Tod hinauszieht? Herausstellen, dass sie ohne ihn als Frau nicht vollständig ist, nicht diejenige, die aus dem Wagen stieg, die Knie beieinander, dabei die eleganten Schuhe mit dem hohen Absatz zeigte, den guten Schnitt des Rocks, und einen Augenblick später, als sie sich nach diesem kreisenden Manöver, durch das die Beine als erste aus dem Wagen lugten, aufrichtete, die bedruckte Seidenbluse oder die Jacke des Schneiderkostüms in sanftem Pastellton. Keine Spur von den ursprünglichen Materialien. Eine andere Frau, eine, die von außen kam und keine Geschichte hatte. Wie war die Beziehung der beiden all die Jahre lang, in denen ich kaum etwas von ihnen hörte? Haben sie bis zum Ende ihr Fleisch vereint, sind ineinander eingedrungen, haben diesen Achtfüßler gebildet, dessen
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