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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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er bis zum Montag weg – muss ich ihm die Schuhe ausziehen und ihm die Beine hochheben, um ihn ins Bett zu bekommen, wo er dann stundenlang schnarcht wie ein lärmender Toter, nein, das ist nicht der rosa oder zartgrüne Tüll, mit dem man am Hochzeitstag umwickelt wird, das schwör ich dir, und dieser Geruch, der zugleich süßlich und säuerlich ist, dringt in dich ein, wenn er mal scharf nach Hause kommt und dich küssen will, dieser beschissene Geruch nach saurem Speichel, Rauch und Alkohol, wenn du den Ofenrohrgeschmack dieser gegorenen Spucke in den Mund bekommst, von schlechter Verdauung zersetzt, saure, eklige Spucke. Manchmal steht er im Morgengrauen auf, schleppt sich zum Speien zum Klosett, und danach fährt er dir dann mit der Zunge übers Gesicht, presst sie dir mit Gewalt in den Mund, hart wie ein Muskel, dazu die Spucke, die dann auch noch nach Erbrochenem schmeckt, denn er hat nicht einmal die Höflichkeit, sich den Mund auszuspülen, und das Ganze wieder und wieder. Als ich ihn kennen lernte,roch er nach Rasierwasser, nach Kölnischwasser, und der Mund nach Zahnpasta, Speichel und Atem waren frisch, dufteten nach Minze. Klar, du siehst ihn als Verehrer, als Verlobten. Bevor er dich trifft, duscht, rasiert und parfümiert er sich, und du siehst diesen strahlenden Mann und bist aus dem Häuschen und denkst dir, mit der Zeit wird er nur noch besser, er wird reifer, zarter werden, diese plötzliche Heftigkeit wird sich verlieren, du denkst: das ist die Jugend, er wird ruhiger werden, wenn er sein erstes Kind sieht, oder, besser, wenn er sein Kind in den Händen hält, wenn er dieses Stückchen warmes Fleisch spürt, das sich bewegt und lacht und weint und ihm ähnlich sieht und in seine große Pratze hin einpasst, das wird ihn weich machen, diese Kanten, die dir jetzt Sorgen bereiten, werden sich abschleifen, er wird immer dieser zärtliche, hübsche Mann sein, der dich beim Tanzen streichelt. Aber nein, das Kind, das ihn erst ganz närrisch macht, ihn zum Lachen bringt und mit dem er spielt, scheint ihn bald zu nerven. Er sagt mürrisch zu dir: Jetzt bring doch verdammt noch mal dieses Balg zum Schweigen, oder: Kannst du ihm nicht endlich mal die Kackwindeln wechseln, es stinkt ja unerträglich, ich habe noch kein Kind erlebt, bei dem die Scheiße dermaßen stank, wie bei einem alten Mann; so als hätte er mit der Existenz des kleinen Scheißers überhaupt nichts zu tun. Und dir platzt die Hutschnur: Du weißt doch gar nicht, wie Altmännerscheiße stinkt, ich aber schon, die putz ich jeden Tag weg, damit du was zum Trinken hast, du hängst ja nur mit deinen Freundchen in der Bar rum, das ist alles, was du siehst, und der Geruch ist der einzige, der dich nicht stört, du ekelst dich ja selbst vor mir, wenn ich die Tage habe, du regst dich auf, wenn du Hand anlegst und merkst, dass da was klebrig ist, aber wir Frauen sind nun mal so, und wenn es dir nicht gefällt, dann hol dir doch einen Kerl und steck ihm dein Ding in den Arsch, du wirst schon sehen, nach was der Schwanz riecht, wenn du ihn wieder rausziehst, du Arschloch. Das würde ich ihm gerne sagen, aber ich trau mich nicht, sonst kassier ich eine Ohrfeige, dass es knallt. Das weiß ich.«
    »Rosaroter Tüll, ein zärtlicher Liebster, das ist der Romantikschmalz,den du nachmittags im Fernsehen siehst, seitdem du nicht mehr die zwei Alten in der Schreinerei versorgst, und der nährt deine Wunschträume und macht dich verrückt.«
    »Ja doch, Susana, wenn ich nachmittags mal freihabe, schalte ich jetzt, wo ich nicht mehr zu den Alten muss, das Radio oder den Fernseher an, aber dadurch erfahre ich auch mehr. Das mit Gott, das haben sie, glaube ich, neulich im Radio gesagt, und ich hab es noch mal im Fischladen oder im Internetladen gehört, wo ich die grünen Zitronen und die Paprika für den Ceviche kaufe, und als ich dort in der Schlange stand, hörte ich, wie eine Frau das sagte, sie sagte, dass selbst der Papst es zugegeben habe. Sie hatte davon in der Zeitung gelesen, dort hatte der Papst erklärt, dass es keine Hölle mehr gibt, und wenn es keine Hölle gibt, dann gibt es auch keinen Himmel und auch keinen Gott, deshalb passiert auch all das, was jetzt so passiert.«
    »Das was du da gehört hast, ist totaler Blödsinn. Warum sprichst du denn dann mit den Toten? Wo glaubst du denn, dass die sich aufhalten? Wenn der Papst zugeben würde, dass Gott tot ist, dann müsste er ihm ein ordentliches Begräbnis bereiten und sich sodann hinten

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