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Am Ufer (German Edition)

Am Ufer (German Edition)

Titel: Am Ufer (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rafael Chirbes
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Schatten, der gleich um die Ecke lauert,führt. Dabei hat er in seiner politischen Zeit und auch später in seinem Berufsleben als Autor, Unternehmer oder was auch immer eigentlich wie ein Priester agiert, er zeigte einen Hang zu geheimen Zusammenkünften und liebte die Mobilität im Theaterdekor: Vorsichtig verbarg er die Fingerspitzen, wenn er an den Fäden zog, ein Manipulator, sagten diejenigen, die mit ihm politisch aktiv gewesen waren. Er zeigte seine Augen, ein überzeugendes, stimulierendes Leuchten; die Lippen, von denen die Proklamationen perlten; die Brust, gebläht von der Luft, mit der er das Signal blasen würde, indes versteckte er die geschmeidigen Finger, mit denen er Dutzende von Fäden zur gleichen Zeit bewegen konnte. Vergnügt erzählte er mir davon. Er führte mir seine dubiosen Fähigkeiten vor. Mir konnte er davon erzählen, schließlich kannte ich niemanden, dem ich die Informationen hätte weitergeben können. Der Hang zur Intrige hat ihn nie verlassen: Als er die Politik aufgab, überwachte er vom Halbdunkel des Verkostungstisches aus mehrere Gruppen von Unternehmern, die Winzereien besaßen und deren Weinpreise nicht unwesentlich davon abhingen, welche Noten Vinofórum vergab, die Zeitschrift, die er nun schließlich leitete, nachdem er mehrere Mitbewerber abgemessert hatte, die tatsächlich, wie er mir erzählte, hartnäckigen Widerstand geleistet hatten, es hatte einen Krieg der Dossiers gegeben, Berichte an den Verleger, in denen man eine Verbindung zu all diesen ihn bezahlenden Winzern herstellte, Kontakte, die er mit jesuitischer Kaltblütigkeit von sich wies (eine Spezialität der Familie seiner Glaubensgenossen, erst religiös, dann politisch: das Gegenteil von dem tun, was man sagt, die linke Hand, die du vorzeigst, soll nicht wissen, was du mit der verborgenen Rechten anstellst); von dem dunklen Boden der Redaktion, in die er sich als Flüchtling vor politischen Intrigen gerettet hatte, stieg er mit der Unvermeidlichkeit eines Champagnerbläschens im Glas hoch, bis er einen hohen Posten im Aufsichtsrat der Verlagsgruppe bekleidete (von der Oberfläche des Champagners aus hatte man im Blick – Kamera-Aufsicht –, wie die Bläschen von unten aufstiegen:jenes Büro war im 31. oder 33. Stock eines Hochhauses in Madrid-Castellana), die Zeitschriften und Weinführer herausgab, Produkte für Restaurants und Hotellerie, ein paar Monatshefte zum Thema Reise (eins für die up-Klasse, eins für die down-Klasse: auf dem Titelblatt des einen die 10 besten Hotels der Welt, auf dem des anderen die 10 Campingplätze mit dem besten Preis-Leistungs-Verhältnis an der Costa Dorada); hinzu kamen Beteiligungen an Hotel- und Getränkeketten. Bei seinen Besuchen erzählte er davon, wie Stanley von seinem Weg durch das unbekannte Afrika erzählt hätte. Ein aufregendes Abenteuer. Von dort aus konnte er es sich leisten – nun war es schon eher ein Zeitvertreib –, Küchenchefs hemmungslos in den Himmel zu loben oder in Grund und Boden zu stampfen, angstvolle Legionen von Köchen, die sein Foto unter ihrem Saalpersonal verteilten, mit dem strikten Befehl, sofort Bescheid zu geben, sobald er über die Schwelle trat: Schaut euch dieses Arschgesicht genau an und prägt es euch gut ein. Sobald er auftaucht, sagt ihr Bescheid (die Köche waren damals noch keine Stars, es war in der Frühphase, als der Baske Arzak, der es wissen musste, bemerkte, sie genössen die gleiche Wertschätzung wie ein Ingenieur, ein Architekt oder ein Arzt). Die Küchenchefs, wie die Verdammten auf dem gotischen Altarbild von Flammen und einer Schar Küchenjungen wie von triezenden dunklen Teufeln umgeben, rannten zwischen Kasserollen und Feuerstellen hin und her, falls der Maître mal wieder in die Küche kam, um ihnen die Ankunft des Kritikers Marsal, ex
Pinot Grigio
, zu vermelden. Er hatte Önologen genötigt, mit Merlot, Syrah oder Viognier zu experimentieren, fremdländische Trauben, auf die er setzte, hatte ihnen versichert, das Experiment nach Kräften zu unterstützen. Du wirst 93 Punkte bei der Verkostung bekommen. Das ist sicher. Und mit ein bisschen Glück noch drei oder vier Punkte dazu. Damit hättest du es geschafft, nach ganz oben. Überleg dir, ob dir das Angebot zusagt. Dann vergab er sie oder auch nicht, die 93 Punkte: Es gab ja im Kleingedruckten noch einiges zu verhandeln, gewisse Absatzmengen zu bestimmen, dieAnzeigen in den hauseigenen Blättern, den vertraulich gehaltenen Vertrag über die Ausarbeitung der

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