Am Ufer (German Edition)
Kajüten, das ist ja Wahnsinn, sagt der Handwerker, der gehörnte heilige Joseph, der geschickt den Hobel führt und Späne ablöst, der noch ein paar Stufen hochsteigt, um die blinkenden Instrumente rund ums Steuerrad zu bestaunen. Sehr bequem, fügt Francisco hinzu. Das ist es, bequem. Als würde ich vor Bewunderung, auch vor Begeisterung und Stolz beben, weil das,was ich sehe, berühre, streichle, meinem alten Freund gehört, meinem Kumpel aus wilden Zeiten, und als müsse er mich wieder auf den Boden der bescheidenen Wirklichkeit bringen. Die einebnende Sprache als Beweis. Ja, schau, ein bequemer alter Kahn. Man kann segeln, aber auch mit Motor fahren, er hat einen Motor von gut 200 PS. Und dieser gemütliche Kahn liegt nicht etwa an den Stegen, die von der Stadtverwaltung für die Schiffchen der sogenannten neuen Mittelschicht errichtet wurden, die ein Konglomerat aus Spielarten einer politisch nicht bewussten Arbeiterklasse ist, ein Produkt des Thatcherismus; diese neue Mittelschicht wird von der aktuellen Krise davongeschwemmt, ihre Ansprüche werden radikal zurechtgestutzt, weshalb viele der Schiffchen, die in dieser städtischen Zone liegen, an Deck ein Schild kleben haben: ZU VERKAUFEN – EINZIGARTIGE GELEGENHEIT . Nein, seine Jacht liegt nicht dort, sondern an der Marina Esmeralda, wo sie bei jedem leichten Schaukeln Deck an Deck die Jachten von Millionären aus Deutschland, Gibraltar oder Russland berührt, Schiffe von 30 Meter Länge, die Leuten gehören, die mit irgendetwas handeln, mit Würstchen, mit industriell gefertigtem Brot und Backwaren, mit Kunst, Währungen oder Waffen; Jachten von Bauunternehmern, die mehr Tonnen Kokain als Tonnen Zement auf den Markt gebracht haben; Betreiber von Waschanstalten für Dollars, Euros und Pfunde. An diesem Jachthafen findest du keinen, der sein Leben mit ehrlicher Arbeit bestritten hat, es sei denn die Kellner, die, Tablett in der Hand, durch die Terrassenlokale am Kai wieseln, gleich neben den Geschäften, die günstige Jachten für über eine halbe Million Euro anbieten. Und selbst diese Kellner machen Angst, wenn sie den Blick heben und dich kurz anblicken, während sie ins breite Glas den Glen, den du bestellt hast, auf das gestoßene Eis schütten. Es sind falsche Kellner: Schläger, Bodyguards, Schmuggler, Verbrecher, Drogenkuriere, Killer, Dealer, Strichjungen für die Jachtbesitzer, Dienstboten von schmierigen Mafiosi, die sich, wenn sie vom örtlichen Fernsehen für die Rubrik Gesellschaft interviewt werden, alsEigentümer von Nachtlokalen definieren. Ja, ja, Francisco, ich weiß, die große Welt ist eben das, das gute Leben verträgt sich nicht mit dem Gesetz, mit der Gerechtigkeit, und ist absolut inkompatibel mit der Nächstenliebe. Aber das Leben sind zwei Tage, und keiner ist so jung, dass er nicht heute sterben könnte, und keiner so alt, dass er nicht noch ein Jahr leben könnte. Erinnerst du dich an das Sprichwort? So was hast du an der Uni studiert und es mir vorgelesen, dem Idioten, aus dem der Vater einen Künstler machen wollte, während er selbst nicht wusste, was er werden wollte, aber ganz genau wusste, wozu er nicht bereit war. Als er mir die Jacht zeigte, wie er mir zuvor sein Haus gezeigt hatte, bestätigte er damit, dass das Landleben – inklusive Partie im Castañer – Teil eines Spiels ist, das ihn amüsiert und, einmal gewählt, nach festen Ritualen abläuft, wie etwa wenn es bei den Karten heißt: Ein König zu dritt macht manchmal den Ritt; oder beim Schiffeversenken, da sagt man ja auch Wasser, Treffer oder versenkt, und je nachdem streichst du die vorher eingezeichneten Schiffsquadrate oder nicht. Jedes Spiel hat seine Regeln, aber die gelten nur, solange die Partie dauert, die Spielregeln für den bescheidenen Landmann dauern gerade so lang wie die Partie am Abend und gelten nicht mehr, wenn (wir müssen mal zusammen den tollen Torf-Whisky trinken, den ich auf Lager habe, und schon öffnet er halb ein kleines Holztürchen) er dich zum zweiten Mal die Nase in sein Haus, das der Civeras, stecken lässt, inzwischen voll renoviert, und der Schreiner, der es nicht einmal zum Möbeltischler gebracht hat, das Mobiliar sieht: Palisander, Rosenholz, Mahagoni, die verglasten Schränke, in denen er Bücher aufbewahrt, die in Seide, in Ochsenleder gebunden sind, hundertjährige Ausgaben, und die Bilder von Gordillo, die Bilder und Grafiken von Tàpies, Aquarelle von Barceló, von Broto. Aber das ist ja alles ein Vermögen wert, sage
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