Am Ufer (German Edition)
vor einem Film sitzen und mache solange eine Runde durch Olba, spiele ein paar Partien, einmal Domino mit Justino und Francisco, und bin zu den Nachrichten wieder zurück; und danach nehmen wir wieder mal das Gemüse in Angriff, unser letztes Abendmahl, die Eucharistie: eine Scheibe Kochschinken und ein Glas Milch, die heiligen Abendriten, Kommunion der zwei Spezies, Christus fest und flüssig, wie es die ersten Christen machten und das Zweite Vatikanische Konzil es wieder eingeführt hat. Es ist nicht schlimm, dass ich heute ein bisschen später komme, du hast ja schon das Mittagessen später bekommen, und so rücken Mittag- und Abendessen nicht zu sehr zusammen. Nach dem Abendessen lass ich dich noch ein wenig im Sessel, bevor ich dir die Windeln wechsle und dich wasche. Abends beschränkt sich die Waschung auf den Schenkelbereich. Ein schnelles Eintauchen, so wie beim Priester, der sich zu Ende der Messe die Fingerspitzen mit ein paar Tropfen Wasser wäscht. Bei unserer Zeremonie gibt es auch einen kleinen Strahl lauwarmen Wassers auf das, was zwischen Windel und Haut ist. Einweghandschuhe, lauwarmes Wasser und eines dieser seifigen Tüchlein, mit denen man in den Krankenhäusern die Patienten wäscht, und noch mal lauwarmes Wasser, bis sein Hintern dem eines Neugeborenen gleicht: die gleiche schrumplige und bläuliche Rosine. Ich habe gelernt, mir Menthol-Gel in die Nasenlöcher zu schmieren, um den Geruchssinn einzuschläfern. In einer Fernsehsendung sah ich, dass die Gerichtsmediziner so etwas benutzen,wenn sie mit Verwesung umzugehen haben, und beschloss, es ihnen gleichzutun. Trotz allem, der Geruch geht den ganzen Tag nicht aus dem Haus, auch mit noch so viel Lauge und Chlor. Er setzt sich in Wänden, Möbeln, in der Kleidung fest. Der Gestank nach Altenwindel. Er setzt sich in mir fest. Im Angesicht der Nacht, eine Waschung prêt-à-porter. Die Dusche ist morgens dran. Duschen macht munter, und ich muss versuchen, ihn so erschöpft wie möglich ins Bett zu bekommen. Er soll nicht die Kraft haben, sich aufzurichten oder gar aufzustehen, nicht dass er am Ende stürzt, wie es schon gelegentlich geschehen ist; er soll nicht den Mumm haben, sich die Windel auszuziehen, nicht dass er mir das ganze Schlafzimmer vollschmiert. Das ist mein tägliches Programm, meine Agenda, seitdem ich auf dich verzichten muss, Liliana. Ich habe immer darüber gestaunt, dass du diese Aufgaben erledigtest, ohne dass es dir viel auszumachen schien (das schien es wirklich nicht). Ihr Papa ist ein guter Mann. Meiner war nicht so. Von Kolumbien vermisse ich nicht die Leute, die ich zurückgelassen habe, vielleicht ein wenig meine Mutter, aber eigentlich vermisse ich nur die Landschaft, einfach unvorstellbar. Ich sehe die Palmen hier, und sie kommen mir wie Spielzeug vor verglichen mit unseren Wachspalmen, die sind so elegant, so wunderschön, man kann sich gar nicht erklären, wie ein so dünner Stamm in fünfzig Metern Höhe die Palmenkrone halten kann, und die Stämme sind so weich, so sauber und von dieser bläulichen Farbe. Ich weiß nicht, warum sie die nicht herbringen und hier pflanzen, aber das sind wohl sehr empfindliche Palmen, sie brauchen viel Wasser und vor allem ein sanftes Klima, wie wir es dort haben, da sind die hohen Wiesen, auf denen die Kühe weiden, und dann die höheren Regionen, wo die Kaffeesträucher wachsen, die Bananen, das Zuckerrohr, die Mangos. Die tropische Hitze wird mit der Höhe milder, eine fruchtbare Erde, schon immer dicht bewachsen, auf zweitausend Meter Höhe, wo die Luft sanft und rein ist. Wenn die Wachspalmen überall gedeihen würden, dann würde wohl niemand mehr auf der Welt irgendeineandere Palmenart pflanzen. Sie sind unvergleichlich, aber, wie gesagt, ich glaube, sie brauchen zugleich tropisches Klima und Höhenluft, etwas, was man nicht an einen anderen Ort verrücken kann, denken Sie nur, wie riesengroß Afrika ist, aber wenn man dem Fernsehen glaubt, gibt es dort nur wenige Plätze mit Bedingungen, wie wir sie dort genießen, denn Afrika ist sehr flach, so heißt es in den Reportagen, da ist ein sehr großer Berg mit seiner Schneehaube, aber der Rest ist Ebene, oder Erhebungen und Hügel von geringer Höhe. Da sehen Sie, wie wir in einer verkehrten Welt leben, da ist unser Land ein Paradies, und doch müssen wir von dort fort, weil die Menschen es zu einer Hölle gemacht haben. Eigentlich müsstet ihr Spanier mit euren steinigen Bergen und diesen unfruchtbaren Ebenen in Kastilien, ich
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