Am Ufer (German Edition)
ist, hat er den Tisch gewechselt und spielt jetzt mit diesen Leuten, legitimiert durch seine Vergangenheit, die ein bisschen etwas Weltenbummlerisches, Abenteuerhaftes, Hippiemäßiges hatte, und durch eine ansatzweise gebildete Gegenwart (mit dem Schreiner kann man reden, der Typ weiß, was er sagt) und durch sein mysteriös einsames Leben eine beharrliche Sesshaftigkeit, die nun schon Jahrzehnte dauert; legitimiert, weil ich sehr oft mitPedrós am Tresen gestanden bin und, das vor allem, weil Francisco mir öffentlich auf die Schulter klopft und von mir als von seinem Kindheitsfreund spricht, von seinem Kumpel bei Streunereien, seinem Kollegen, der die Eitelkeiten der Welt zurückgewiesen hat, um diesen Beruf zu erwählen, etwas für Menschen, die sich entscheiden, einfach und am Rande zu leben, wie die Heiligen, ein Zimmermann wie Joseph, der gute Handwerker. Der Beruf des Gehörnten, sage ich mir. Francisco rührt mit dem Löffelchen in seinem Carajillo, mit großer Natürlichkeit, als sei dieses Ritual und diese Lebensform das einzig Akzeptable, mit der gleichen Lässigkeit, mit der er sich seinerzeit einreihte – wider Willen fast – in das, was ein alter Freund namens Morán, den ich in Ibiza kennengelernt hatte und dessen Artikel ich eine Zeit lang in den überregionalen Zeitungen las (ich weiß nicht, was aus ihm geworden ist), als Elite in Plünderungsposition definierte. Jetzt aber
beatus ille
, Verachtung des Hofs und Lob des Dorfes, hat er sich in der Gelassenheit des reifen Alters eingerichtet. Hier können Tage, Monate vergehen, ohne dass man etwas von seiner Zugehörigkeit zu dieser Elite bemerkt, die damals erbarmungslos und gefräßig war, du errätst diese Vergangenheit nicht, das Mark seines Lebens. Als sei zwischen uns und in jedem von uns nichts geschehen seit den Tagen der gemeinsamen Kindheit; ich glaube das inzwischen selbst, verstehe das mit dem Haus der Civeras, wer wünscht sich nicht das Beste für die letzten Lebensjahre? Ein luxuriöses Zönobium; bis du dann eines Tages mit ihm einen Ausflug nach Misent machst und nach langem Einherwandeln bemerkst, dass der gemeinsame Spaziergang – scheinbar der reine Zufall – uns zu der Marina Esmeralda geführt hat und er, zerstreut, den Arm hebt, ihn vorstreckt, den Zeigefinger von den anderen Fingern wegspreizt und, schau mal, Esteban, mit einer fahrigen Bewegung auf etwas zeigt: Ganz prima, um mal an einem Vormittag auf Fahrt zu gehen, der Finger zeigt immer noch, lädt mich zum Schauen ein, und siehe da, das, was ich mir anschauen soll, was, wie er meint, prima ist für eine morgendliche Fahrt, ist ein Segelboot,das am nahen Bootsteg vertäut ist, ein elegantes Segelschiff, das eben das seine ist, das kleine Boot, das er mal nebenbei erwähnt hat, als man bei einem anderen Thema war, und dessen Existenz du vergessen hattest, weil du nicht glaubtest, dass da viel dran war: ein Bötchen, wie es sich so manch armer Schlucker in den Jahren des Immobilienbooms geleistet hat, das, was sie eine kleine Jacht nennen und nicht viel mehr als ein Gummiboot ist. Aber nein. Plötzlich merkst du, dass der Ausflug einen Zweck hatte, du sollst nicht sterben, ohne das Segelschiff gesehen zu haben, man muss sich beeilen, damit der Schreiner es sieht, man sollte ihm den Genickstoß geben, bevor er auf natürliche Weise ins Grass beißt, in etwa so, wie man es mit den Stieren macht, man muss sich beeilen, das Tierchen hinzurichten, bevor die Proteste in der Arena losgehen, weil es sich drückt und nicht sterben will, wir wissen alle, keiner ist so jung, als dass er nicht morgen sterben könnte, so heißt es schon bei dem Klassiker, also ist es richtig, dass er das Segelschiff sieht und Neid, Kummer und Leid verspürt, ich habe Leo verloren – du, Schreiner, hast sie früher verloren. Ob er wohl von uns weiß? Ob Leonor es ihm je erzählt hat? Glaube ich nicht, eine Beziehung, die keinen Mehrwert einbringt: Schrott, den man loswerden muss –, ich aber habe ein vornehmes Haus und ein Segelschiff (wie im Kinderlied: ich habe, habe, habe, und du hast nichts, ich hab drei schöne Schafe in meinem Stall, eines gibt mir Milch, das andre warme Wolle …), also lässt er dich an Deck springen, du trittst auf Teak, er bringt dich runter in die Kajüte, ein kleiner Salon mit Küche und einem Esstisch, der da bereitsteht wie für ein Bankett, es gibt sogar einen kleinen Tresen, an der Rückwand die Flaschen, und er öffnet die Tür zum Bad und zeigt dir die beiden
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