Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Am Ufer

Am Ufer

Titel: Am Ufer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paulo
Vom Netzwerk:
nicht allein aufführen können«, fuhr er fort. »Und dann holen sie sich Mitspieler heran. Genau das hat der Alte getan. Vielleicht wollte er sich für etwas rächen und hat nun uns als Sündenböcke ausgesucht. Wären wir auf sein Verbot eingegangen, würden wir es jetzt bereuen und uns besiegt vorkommen. Wir hätten uns dann nur darauf eingelassen, Teil seines kleinlichen Lebens und seiner Frustrationen zu sein. Der Mann steckte voller Aggressionen, das war nicht zu übersehen, und es war einfach für uns, sein Spiel nicht mitzumachen. Andere Menschen hingegen führen sich als Opfer auf, beklagen sich über die Ungerechtigkeit des Lebens, bitten, ihnen zuzustimmen, ihnen Ratschläge zu geben, und fordern uns so auf, in ihrem Stück mitzuspielen.«
    Er blickte mir in die Augen.
    »Vorsicht«, sagte er. »Wenn man sich auf dieses Spiel einläßt, ist man am Ende immer der Verlierer.«
    Er hatte recht. Dennoch fühlte ich mich da drinnen nicht ganz wohl in meiner Haut.
    »Ich habe schon gebetet. Was ich wollte, ist getan. Wir können hinausgehen.«
    Wir traten ins Freie. Nach der Dunkelheit in der Kapelle blendete mich das gleißende Sonnenlicht. Als sich meine Augen an die Helligkeit gewöhnt hatten, sah ich, daß der Alte nicht mehr da war.
    »Laß uns zu Mittag essen«, sagte er und schlug den Weg zur Ortschaft ein.
    Ich trinke zwei Glas Wein zum Mittagessen. So viel habe ich nie in meinem Leben getrunken. Ich werde noch zur Alkoholikerin.
    »Du übertreibst.«
    Er redet mit dem Kellner. Erfährt, daß es ein paar römische Ruinen in der Gegend gibt. Ich versuche, dem Gespräch zu folgen, doch es gelingt mir nicht, meine schlechte Laune zu unterdrücken.
    Die Prinzessin hat sich in eine Kröte verwandelt. Sei’s drum! Ich mußte niemandem etwas beweisen, denn ich war auf nichts aus, weder auf einen Mann noch auf eine Liebe!
    ›Ich hab’s ja gewußt‹, denke ich, ›daß er meine Welt aus dem Gleichgewicht bringen würde. Mein Kopf hat mich schon gewarnt, aber das Herz wollte nicht hören.‹
    Ich habe einen hohen Preis für das zahlen müssen, was ich habe. Mußte auf vieles verzichten, was ich mir wünschte; habe viele Wege nicht eingeschlagen, die sich mir auftaten; habe meine Träume im Namen eines größeren Traumes geopfert: für meinen inneren Frieden. Den will ich nicht wieder verlieren.
    »Du bist angespannt«, sagt er, die Unterhaltung mit dem Kellner unterbrechend.
    »Ja, das bin ich. Ich glaube, der Alte hat die Polizei gerufen. Diese Stadt ist klein, ich glaube, sie werden bereits wissen, wo wir zu finden sind. Warum mußtest du ausgerechnet hier zu Mittag essen, das könnte das Ende unserer Feiertage bedeuten.«
    Er dreht ständig ein Glas mit Mineralwasser in seiner Hand. Wahrscheinlich weiß er, daß es das nicht ist, daß ich mich in Wahrheit schäme. Warum machen wir dies nur mit unserem Leben? Warum sehen wir nur das Staubkorn in unserem Auge und nicht die Berge, die Felder, die Olivenbäume?
    »Hör zu: Nichts dergleichen wird geschehen«, sagt er. »Der Alte ist längst zu Hause angekommen und erinnert sich überhaupt nicht mehr an diesen Zwischenfall. Glaub mir.«
    ›Deswegen bin ich doch gar nicht angespannt, du Dummkopf‹, denke ich.
    »Hör mehr auf dein Herz«, fährt er fort.
    »Genau das tue ich doch: Ich höre darauf«, entgegne ich. »Ich möchte hier weg. Ich fühle mich nicht wohl in meiner Haut.«
    »Trink tagsüber nicht so viel. Das bringt nichts.«
    Bis zu diesem Augenblick hatte ich mich im Griff. Jetzt sollte ich ihm besser sagen, was ich auf dem Herzen habe.
    »Du glaubst, du weißt alles«, sage ich. »Verstehst was von magischen Augenblicken, vom inneren Kind. Ich weiß überhaupt nicht, warum du mit mir hier sitzt!«
    Er lacht.
    »Ich bewundere dich«, sagt er. »Ich bewundere den Kampf, den dein Verstand gegen dein Herz führt.«
    »Was für einen Kampf?«
    »Ach nichts«, antwortet er.
    Doch ich weiß, was er meint.
    »Mach dir nichts vor«, antworte ich. »Wenn du willst, reden wir darüber. Du irrst dich in bezug auf meine Gefühle.«
    Er hört damit auf, das Glas in seiner Hand zu drehen, und sieht mich an:
    »Das tue ich nicht. Ich weiß, daß du mich nicht liebst.«
    Jetzt bin ich noch verwirrter.
    »Doch ich werde darum kämpfen«, fährt er fort, »es gibt Dinge im Leben, für die zu kämpfen sich bis zum Schluß lohnt.«
    Seine Worte machen mich sprachlos.
    »Für dich lohnt es sich«, sagt er.
    Ich sehe weg, tue so, als sei ich an der Einrichtung des

Weitere Kostenlose Bücher