Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
Das Problem heißt Abfallfleisch. Seit der BSE -Krise sind Fleischabfälle fast wie Sondermüll zu behandeln. Wissen Sie, was es kostet, Sondermüll zu entsorgen?
Nehmen wir als Beispiel Hühner. Wir verkaufen vor allem das Brustfleisch. Aber was machen wir mit den Nebenprodukten, den Hälsen, den Flügeln, den Füßen und Köpfen? Früher war das einfach: Das nicht verkäufliche Fleisch ging in die Tiermehlfabrik. Brachte also sogar Geld. Wegen der BSE -Erkrankung von Rindern verbot die EU generell die Verfütterung von Tiermehl. Die Fleischentsorgungskosten für die unverkäuflichen Teile sind seither um ein Vielfaches gestiegen. Unsere geniale Lösung: Wir liefern die gefrorenen Restteile nach Kamerun, Gambia und in andere afrikanische Staaten. Kommt alles in den Container – und ab. In Kamerun, nur um ein Beispiel zu nehmen, betrug der Import von gefrorenem Geflügelfleisch 1994 sechzig Tonnen. Zehn Jahre später waren es 24000 Tonnen. Das ist erheblich billiger als Entsorgung per Sondermüll.
Natürlich gibt es auch hier ein paar Spielverderber. Die reden davon, dass wir die dortige Geflügelwirtschaft ruinieren. Ich aber sage: Wir leben in einer Marktwirtschaft. In einer globalen Marktwirtschaft.
Andere jammern, weil der Abfall unter der afrikanischen Sonne die wundersamsten Bakterien entwickelt. Klar, beim Transport von Fleisch bedarf es einer geschlossenen Kühlkette mit einer Temperatur von minus 18 Grad, damit das Fleisch frisch bleibt. In Malabo oder Jaunde oder wo auch immer das Zeug ausgeladen wird, herrschen 35 Grad, und die Luftfeuchtigkeit beträgt 95 Prozent. Geschlossene Kühlkette? Fehlanzeige. Das Fleisch wird auf einen Pritschenwagen geladen und ins Landesinnere geschafft. In nicht gefrorenem Zustand sind die Hähnchenflügel bei diesen Temperaturen aber schon nach ein paar Stunden verdorben. Müssen schrecklich aussehen, die Dinger. Ich hab gehört, die haben meine Hähnchenreste dort unten bald poulet de la mort getauft – Hähnchen des Todes.
Aber sagen Sie selbst: Ist das meine Schuld? Ich meine, man muss das ja nicht essen, oder? Ich zwing ja keinen.
Schwieriger war es mit dem Abfall vom Schweinefleisch. Da half unsere zweite Kampagne. Als die Agentur mir das erste Mal die Idee vortrug, dachte ich, die haben einen Vogel. Zielgruppe diesmal: die Männer. Der richtige Mann grillt. Beim Grillen kommt das Animalische im Mann zum Vorschein, sagte der Werbefuzzi. Na gut, fragte ich, was heißt das? Grillfleisch ist mariniertes Fleisch. Wer schmeckt da noch Bakterien? Verkaufen Sie doch Ihr problematisches Fleisch einfach mariniert.
In Deutschland das Animalische im Mann zu bewerben! Ich dachte, das funktioniert nie. Aber der Werbefuzzi hatte recht. Innerhalb von sechs Jahren haben wir das Ding gedreht. Heute grillt jeder Mann. Feuer, Fleisch, Weber-Grill, Amerika, Cowboy, und die Lady macht den Kartoffelsalat – perfekt!
Als dann die ersten Bücher zum Thema Grillen erschienen, ohne dass wir aus dem Werbebudget einen Pfennig dazuzahlten, wusste ich: Die Kampagne würde erfolgreich werden. Heute gibt es eine richtige Kultur um das Grillen – mit eigenen Zeitschriften: Der Griller , Grill-Magazin , BEEF ! , Fire & Food für den edlen Griller. Und Kochschürzen mit Aufschriften wie »Vorsicht, Mann kocht. Bitte schon mal den Reinigungsdienst anrufen«, jede Menge Grill-Events. Sogar im Radio.
Ist doch großartig, oder? Wir liefern. Nicht nur das Marinierte.
60. Hohenheim, Wohnung von Carsten Zemke, nachmittags
Carsten wirft mit ausdruckslosem Gesicht ein paar Kaffeelöffel auf den Tisch. Dann geht er in die Küche und kommt mit drei Tassen zurück, die er achtlos auf den Tisch stellt.
»Carsten«, sagt Julia Zemke. »Wir sind eine Familie. Es gibt immer mal wieder Streit, aber eine Familie muss zusammenhalten, sich zusammenraufen.«
»Sag das ihm.« Carsten deutet auf seinen Vater.
»Er weiß das ebenso gut wie ich.«
»Warum sagt er dann nichts?«
Christian Zemkes Backenmuskeln mahlen. Es war ein Fehler, hierherzufahren. Er hätte es sich denken können.
Carsten geht in die Küche und kommt mit einer Kanne Kaffee zurück. Er schenkt die Tasse seiner Mutter voll und dann seine eigene Tasse. Dann stellt er die Kanne neben die leere Tasse seines Vaters.
Julia Zemke: »Wir haben Sorgen, Carsten. Große Sorgen.«
»Er hat mich vom Hof gejagt wie einen Strauchdieb.«
Christian Zemke beißt die Zähne zusammen. Er nimmt die Kanne und gießt sich Kaffee ein.
»Und jetzt sitzt er in
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