Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
Resten der glimmenden Gardinen, der brennenden Handtücher, der glühenden Packung Haferflocken, die hoch in den Himmel getragen wird. Von außen sucht das Feuer die Wände nach Brennbarem ab, findet Efeu und Fensterläden, nimmt alles, verzehrt alles in einer einzigen glühenden Hölle.
Die zweite Spur eilt die Treppe hinauf, frisst im Vorbeigehen den alten Läufer auf, zündelt an den Türpfosten des Schlafzimmers, folgt der Spur des Benzins, lässt den Teppich lodern und freut sich auf das Bett mit den Daunen und dem alten Stoff und den Kleidern und der Haut und den Haaren der beiden alten Menschen, die dort gefesselt liegen. Das Feuer folgt der Spur des Benzins, springt auf das Bett und die Brust von Christian Zemke. Es frisst sich in seine Jacke, die brennenden Haare verwandeln seinen Kopf in eine Fackel. Die Haut auf seiner Stirn wird rot, dann schwarz, platzt auf, die brennenden Brauen und Wimpern tropfen in seine schreckensgeweiteten Augen.
Christian Zemke kann nicht einmal schreien. Als der Knebel verbrennt, lebt er nicht mehr.
Aber Julia lebt noch. Die heiße Luft sengt ihre Lungen. Sie hat sich weit nach der anderen Seite des Bettes gelehnt, weg von ihrem brennenden Mann, weg, soweit es die Fesseln erlauben. Aber dann, in einem irrwitzigen Moment der Vernunft inmitten des Infernos dreht sie sich zurück und hält ihre Hände ins Feuer, das ihren Mann verbrennt. Der Schmerz ist unbeschreiblich. Aber sie lässt die Hände im Feuer und reißt an den Fesseln, sie glühen und glimmen doch schon. Und endlich geben sie nach. Mit dem Arm löscht sie in drei Schlägen den Brand auf ihrem Kopf, dann steht sie auf. Ihr Rock brennt. Sie steht inmitten eines Flammenmeers.
Dann rennt sie los.
Monolog Carsten Osterhannes
Unser Verhältnis zur Regierung?
Ohne Unterstützung durch die Regierung und durch die EU läuft gar nichts. Ich geb Ihnen mal ein Beispiel im Kleinen. Früher waren die Veterinäre, also die beamteten Tierärzte, eine Landesbehörde. Wir haben hart gearbeitet, dass sie heute bei den Landkreisen angesiedelt sind. Das hat einen praktischen Sinn.
Wenn heute ein Veterinär Ärger macht, nicht spurt, sich irgendwie aufbläst, dann rufe ich den Landrat an. Ich kenne die ja alle, zumindest hier in der Gegend. Ich sag dem Landrat ganz klar: Wenn dein Veterinär mir noch länger auf den Nerven rumtanzt, gehe ich mit meiner Schlachterei in den Nachbarkreis. Das würde für den Landrat bedeuten: weniger Steuereinnahmen, weniger Reputation, weniger angenehme Abendeinladungen. Der staucht seinen Tierarzt dann gleich mal zusammen. Erinnert ihn daran, dass er Partner der Fleischindustrie ist und nicht ein Gegner. Ich habe ein paarmal solche Telefonate erledigen müssen. Seither habe ich keine Probleme mit den Tierärzten mehr.
Oder nehmen wir Landesbürgschaften: In Niedersachsen hat meist die CDU regiert. Da gab’s nie Probleme mit den Bürgschaften. Ich war ein bisschen unruhig, als der Gabriel ein paar Monate Ministerpräsident wurde. Aber siehe da: Kein Problem, auch da flossen die Bürgschaften für uns.
Oder nehmen wir die Werksverträge. Jeder, der sich ein bisschen auskennt, weiß, dass die Beschaffung der billigen Rumänen und Bulgaren nichts mit den ursprünglichen Verträgen zu tun hat. Grauzone ist da schon ein gewagter Ausdruck. Aber das ist alles amtlich. Das Landesarbeitsamt Frankfurt prüft ja alle Verträge. Würden die alles durchwinken, wenn sie nicht Direktiven von oben bekämen? Wir brauchen die Politik. Im Gegenzug helfen wir, wo wir können. Glauben Sie, dass die Oldenburger Gegend ohne Hilfe so schwarz geblieben wäre? In Cloppenburg ist immer die CDU Stimmenkönig. Von nix kommt nix.
Wir brauchen die Subunternehmer, weil wir sonst Tariflöhne zahlen müssten. Jeder weiß, dass die Subler, wie ich die immer nenne, Mafiosi sind. Normalerweise schmuggeln die Nutten nach Frankfurt, Berlin und Hannover. Jetzt haben sie durch uns einen neuen Vertriebszweig entdeckt: Arbeitskräfte für die Fleischindustrie.
Uns ist es recht, solange der Nachschub funktioniert.
Manchmal vergessen die aber, wer der Chef ist. Fährt so ein Rumäne vor und will mit mir verhandeln. Wir gehen essen. Wir reden freundlich. Ich sag ihm, er bekommt nicht mehr. Freundlich. Freundlich, aber bestimmt. Und wissen Sie, was der Kerl macht? Er beugt sich beim Nachtisch leise zu mir hinüber und sagt: Ihre Tochter geht in den privaten Kindergarten in der Hauptstraße. Nicht wahr?
Der wusste nicht, mit wem er es zu tun
Weitere Kostenlose Bücher