Am zwölften Tag: Denglers siebter Fall (German Edition)
hat. Seither überwacht unser Sicherheitsdienst meine Familie. Und die Rumänen waren draußen. Ratzfatz! Von heut auf morgen. Es gibt jetzt andere, die das organisieren können, auch keine Engel, sicher nicht. Aber zuverlässig.
114. Hof des Bauern Zemke, nachts
Die andere Todesspur rast auf die Mastanlage zu. Auch hier folgt sie dem Benzin, das üppig in Pfützen vor der großen Holztür liegt und um die Anlage herum, alles versengend, was sich ihr in den Weg stellt. Sie erhitzt die beiden Scheiben, hinter denen Laura eng umschlungen mit Jakob und Cem und Kimi steht und hinter denen Simon immer noch schreiend gegen die Tür hämmert.
Das Feuer nähert sich ihnen von der anderen Seite. Es kriecht, dem Benzin folgend, unter der Tür hindurch, findet neues Benzin, findet Stroh, folgt beiden, findet die Federn der verzweifelten Puten, die sich übereinander in die hinterste Ecke drängen, dutzendfach übereinander. In ihrer Verzweiflung klettern immer mehr Vögel übereinander, weg, nur weg von dem Feuer, das die ersten bereits erreicht hat, dankbar die Federn frisst, das Fleisch platzen lässt, mit den kämpfenden Vögeln auf den Berg der Tiere klettert, versengt und mordet. Als die Fenster bersten, verdoppelt, nein, vervielfacht neuer Sauerstoff die Energie des Feuers und verwandelt den Turm der Tiere in einen einzigen kreischenden Feuerball.
115. Gefängnis der Kids, nachts
Sie hören das Prasseln des Feuers und das Schreien der sterbenden Vögel. Die Stoffe ihrer Hemden und Hosen unter den Ritzen der Tür beginnen zu glimmen. Jakob schlägt mit der bloßen Hand auf die Glut, versucht sie zu löschen. Cem kniet sich neben ihn und hilft. Dämpfe ziehen durch die Ritzen. Kimi sitzt am Fenster und starrt hinaus, als könne er etwas sehen.
Laura zieht Jakob von der Tür weg. Weit nach hinten in die letzte Ecke. Sie umarmt ihn. Sie zittert. Und weint. Er spürt ihre Haut. Er drückt sie, so fest er kann, und ihnen beiden rinnen die Tränen aus den Augen.
Cem stolpert vorbei. Der Rauch brennt in den Augen und ist jetzt so dicht, dass Jakob ihn kaum erkennen kann.
So wird es also zu Ende gehen. Mit Laura im Arm. Die Dämpfe kriechen an ihnen hoch. Der Boden wird heiß und versengt ihre Füße. Laura wird in seinem Arm ohnmächtig. Und auch er fühlt den Tod. Und Laura. Und plötzlich ist Friede um ihn.
116. Straße in der Nähe von Oldenburg
Dengler versucht den Wagen auf der Straße zu halten, als er die Abzweigung zu dem brennenden Gehöft verpasst. Die Reifen qualmen, als der Wagen endlich steht.
Rückwärtsgang.
Gas.
Erster Gang.
Steuer nach links.
Vollgas.
Zweiter Gang.
Dritter Gang.
Der BMW fliegt über den Feldweg. Dengler reißt das Lenkrad herum, und der Wagen schleudert in den Hof. Er sieht das brennende Hauptgebäude und den brennenden Stall, durch dessen zerstörtes Dach platzende Vögel aus Feuer in die Luft katapultiert werden.
Er sieht einen Arm oder einen Kopf hinter einer Scheibe und drückt erneut auf das Gaspedal. Da läuft eine brennende Frau vor den Wagen.
Olga öffnet die Tür und springt hinaus. Sie rennt der Frau nach, fängt sie ein, gibt ihr einen Stoß, der sie umwirft, dann schlägt sie mit ihrer Jacke auf die Flammen ein.
Dengler sieht die Tür an dem brennenden Stall. Daneben das schmale Fenster mit der Hand.
Er prüft den Sicherheitsgurt. Dann wendet er den Wagen und gibt Gas.
Elfter Tag
Mittwoch, 29. Mai 2013
117. Klinikum Oldenburg, morgens
»Dengler, bist du wieder unter uns?«
Er träumt von Christof Streich, dem Verbindungsbeamten des BKA in Madrid. Dengler hält die Augen geschlossen. Er träumt, Streich halte ihm die Hand.
»Hörst du mich? Mach mal die Augen auf. Stell dich nicht so an. Du hast nur ein paar Prellungen. Und eine klitzekleine Gehirnerschütterung.«
Die Stimme klingt verdammt nahe. Dengler öffnet die Augen und sieht den BKA -Beamten. Schnell guckt er auf seine Hand. Aber Gott sei Dank wird sie von Olga gehalten. Sie sitzt neben ihm, mit müden und verweinten Augen und hält seine Hand. Fest und warm. Dengler schließt die Augen.
»Vernehmung, Dengler. Wir müssen reden. Darf ich Ihnen vorstellen: Kollege Schuster vom SO 11 und die Kollegin Hauptkommissarin Ginter von SO 13, sie leitet die Abteilung ›Menschenhandel zum Zwecke der Ausbeutung der Arbeitskraft‹. Wie hast du rausgefunden …«
»Wo ist mein Sohn? Wie geht es Jakob?«
»Deinem Sohn geht es gut. Er hat eine Rauchvergiftung. Nur eine leichte. Aber jetzt müssen wir reden …
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