Amarilis (German Edition)
uns gemeinsam.«
Verwundert beobachtete er Steff, wie dieser fahl wurde. Dann fasste
er seinen Freund an den Armen. Er konnte nur vermuten, was in ihm vorging. Es
musste etwas wie einen Kulturschock bei den Menschen geben.
»Ganz und gar nicht, Steff«, sagte er. »Wir haben die Erde
nicht einmal zu Gesicht bekommen.« Er hielt kurz inne. »Aber wir waren in ihrer
Nähe.«
Als er bemerkte, wie Steff erneut erblasste, fuhr er sogleich
beruhigend fort: »Trotz vieler Gemeinsamkeiten mit den Sauriern, wie das Dreieck,
in dem sie ihr Plasma aufbewahren, und das Röhren, mit dem wir nach einem
Plasmagenuß die Sterne und die Sonne begrüßen, war unser wirklicher Heimatplanet,
auf dem wir ursprünglich entstanden waren, lediglich alle 30 Millionen Jahre in
Erdnähe gekommen. Zu selten, um sich auf einen Verwandtschaftsgrad berufen zu
können.« Verschmitzt guckte er dabei zu Steff hinüber.
»Durch irgendeine Katastrophe, die wir nicht mehr
nachzuvollziehen vermögen - es kann sich aber um eine zu starke Verdichtung des
Plasmas gehandelt haben - ist unser Planet vor 65 Millionen Jahren explodiert.
Ein kleiner Teil von ihm muss auf die Erde gestürzt sein. Das war der Meteorit,
von dem der Teil, in dem sich das Plasma befand, beim Eintritt in die
Erdatmosphäre abplatzte. Ein anderer, weitaus größerer Teil aber, in dem die
primitiven Formen unserer Urahnen lebten, muss seinen Weg durch die
Endlosigkeit des Universums gefunden haben. Vielleicht ist er mittels eines Hypersprunges
in den Bereich der santoganischen Galaxie gelangt und dort auf dem Planeten geprallt.
Dass dabei Leben erhalten blieb, war großes Glück, die Fügung des
allumfassenden Kosmos.«
Mata-Hele schloss seine lange Rede mit einem tiefen Ton, der
aus dem Inneren seines Kehlkopfes drang, und den Steff noch nie gehört hatte.
Es war ein Laut innerer Wahrheit, der der Erkenntnis der Unendlichkeit folgte.
»Auf unseren Teleskopschirmen ist es uns jedoch nie möglich gewesen, unseren
alten Trabanten auszumachen, da er über zu wenig Eigenreflexion verfügte. Wie
gesagt, er war ein dunkler, kahler Planet.«
Aber der Freund schien ihn überhaupt nicht gehört zu haben.
Mata-Hele sah, wie Steffs Gesicht erstarrte, und seine Augen sich wie durch
Schleier verklärten, so als habe ihn das letzte der Geheimnisse der Santoganer
am schwersten erschüttert.
»Jetzt weiß ich, woher ihr kommt«, stammelte er endlich. »Nun
ist mir alles klar. Euer Planet war der Stern, dessen Wiedererscheinen wir alle
fürchteten, aber der nun nicht mehr kommen wird. Er war von dunkelroter Färbung
und hatte ein Zehntel der Sonnenmasse. Über eine Periode von 250 Millionen
Jahren pflegte er alle 32 Jahrmillionen bei uns zu erscheinen, und einer alten
Saga zufolge heißt es, dass er jedesmal eine Katastrophe auslöste. Wir nannten
ihn deshalb Nemesis, den Todesstern.« Mit einer Geste der Erkenntnis hob er die
Hand. »Doch er war es dann schließlich selbst, der starb.«
Mittlerweile waren sie vier Tage unterwegs, und der Wasserfall
lag bereits einen guten Tagesmarsch hinter ihnen. Sie hatten die Funde lokalisiert
und wie überall auf ihrem Weg einen elektronischen Memoryschalter installiert,
der auf Kilometer hinaus durch einen Voltmesser zu ermitteln war.
Die Menschen hatten inzwischen ihre Sauerstoffmasken angelegt
und einen wärmenden Pullover unter dem Overall angezogen, da es in den tieferen
Schichten der Erdkruste beträchtlich kühler wurde. Aber die Strapazen des
Marsches und die Wärmeisolierung der Zelte hielten sie bislang von der
schlimmsten Kälte ab. Die Zentrale hatte sie zudem aufgrund der extremen
Bedingungen zu einem ständigen Checken von Puls und Temperatur angewiesen. Doch
bislang bestand kein Grund, den Weitermarsch selbst zu unterbinden.
Sie stiegen gerade einen schmalen Weg hinunter, dessen
seitliche Wände im Schein der Lampen feucht glänzten. Vor ihnen erstreckte sich
das Grau des Felsens und vermischte sich mit der Schwärze der Finsternis. Nur
hintereinander konnten sie hier noch gehen und mussten sich mitunter seitlich
an Verengungen und Vorsprünge des Gesteins vorbeidrängen.
Auf einmal meldete sich Korn-Ralda und warnte jeden davor, weiter-zugehen.
Intensiv starrte er auf ein Instrument, das er ständig vor sich in Augenhöhe an
seinem Körper befestigt hatte. Es war nicht unbedingt schwer, aber von
außerordentlich kompliziertem Schaltmuster.
Nach kurzem Nachdenken fiel
Weitere Kostenlose Bücher