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Amber Rain

Amber Rain

Titel: Amber Rain Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Felicity La Forgia
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noch dabei waren, die ersten Wörter zu entziffern, konnte ich schon das ganze Gedicht auswendig. Bevor ich wähle, räuspere ich mich und mache ein paar Stimmübungen. Penny ist erst vier, sie spricht nicht mit der Stimme einer En d zwanzigerin.
    Ich nehme das Telefon mit zum Sofa und ziehe die Knie an. Meine Mama ist nicht vom Einkaufen gekommen. Alles, was ich von ihr habe, ist dieser Zettel mit ihrer Telefonnummer darauf. Ich fühle Pennys Angst. Ihre Verlassenheit. Mein Herz beginnt zu rasen. Und dann wähle ich.
    Das Freizeichen kommt sofort, aber ich befürchte schon, dass niemand abnehmen wird, als es endlich in der Leitung knackt.
    „Hallo?“ Harrietts Stimme ist noch älter, als ich sie mir vo r gestellt habe.
    „Mama?“ Tränen klingen in meiner kindlichen Stimme, bis ich mich an ihnen verschlucke. „Wo … oh Mama.“ Ich schni e fe ein paar Mal ins Telefon.
    „Kindchen. Hier ist nicht deine Mama.“ Das Mitleid in Ha r rietts Stimme ist offenbar. Penny stammelt etwas vom Supe r markt und ihrem Teddy, dem ein Ohr abgerissen ist. „Aber bist du denn ganz allein?“ Nun mischt sich deutlich Sorge unter das Mitleid.
    „Ja. Ganz allein.“
    „Deine Mama kommt bestimmt bald wieder.“
    „Aber Teedy.“ Ich dehne das e in der Mitte zu einem her z zerreißenden Jammern und höre Harrietts Ratlosigkeit durch die Leitung rauschen. Oh ja, ich bin eine gute Schauspielerin. Morgen wird ein guter Tag. Morgen werde ich es schaffen. Weil sich ganz leise mein schlechtes Gewissen meldet, b e schließe ich, Harriett vom Haken zu lassen.
    „Singst du was mit mir, bis Mama kommt?“
    „Aber … aber natürlich, Schätzchen. Welches Lied kennst du denn?“
    „The Wheels on the Bus“, sage ich und lasse dabei die S-Laute zischen. Ich höre ein leises Geräusch. Wahrscheinlich klatscht sich Harriett vor Begeisterung und Überraschung auf die Oberschenkel.
    „Oh ja. Das habe ich auch schon als Kind gesungen.“ Ich lasse ihr den Vortritt. Es macht Spaß, der alten Dame beim Singen zuzuhören. Ihr Talent, wenn sie jemals eines gehabt hatte, ist längst versiegt. Aber sie macht es mit Begeisterung wett. Ich falle nur sporadisch ein. Beim Round and Round, und ich verwischte das r dabei zu einem fließenden f. Zusammen singen Harriett und ich drei Strophen.
    „Mama tommt“, sage ich, als ihre Stimme langsam heiser wird.
    „Wie schön. Siehst du, es hat doch gar nicht lange gedauert.“ Ohne noch einmal zu antworten, beende ich das Telefonat. Penny ist ganz sicher ihrer Mama entgegen gerannt. Ich bleibe auf dem Sofa sitzen, ein Lächeln auf den Lippen. Meine Angst vor morgen ist nicht mehr so groß. Vieles mag ich verlernt h a ben seit … damals. Aber spielen kann ich noch immer. Die Fähigkeit, anderen Menschen Freude zu bereiten, konnte mir niemand nehmen.
     
     
    Crispin
     
    Ich hasse Tage, an denen das Telefon klingelt, noch bevor ich die erste Tasse Kaffee getrunken habe. Ich angle nach dem Hörer und nehme das Gespräch an. „Holloway.“
    „Es tut mir leid, Sie an einem Sonntagvormittag zu stören, Sir. Hier spricht Officer Redding, Metropolitan Police. Es gibt da eine Sache, bei der wir Ihre Hilfe benötigen, Sir.“
    Redding. Genannt Red. Und das nicht zu Unrecht. An einem Sonntagmorgen käme sie mir gerade recht, mit diesem zahm und züchtig zum Knoten gewickelten roten Haar. Einmal zu oft habe ich mich schon gefragt, wie sie wohl aussieht, wenn kein Kamm und kein Haarband in der Nähe sind. Zu schade, dass sie überhaupt keine Signale aussendet, obwohl ich sicher bin, jemand wie sie, in ihrer Position bei der Londoner Polizei, weiß ganz genau, wer ich bin und was ich denke, wenn ich sie von Kopf bis Fuß ansehe. Ich schüchtere sie ein, was mir ein gewisses Maß an Befriedigung verschafft, aber mehr eben auch nicht. Wahrscheinlich verabscheut sie mich, aber die Ei n schüchterung verhindert, dass sie mir dieses Gefühl zeigt. Wenn ich darüber nachdenke, so ist sie auf faszinierende Weise gut darin, vor mir zu verheimlichen, was sie denkt. Das scha f fen nicht viele.
    „Worum geht es, Officer?“ Ich trinke mit zwei großen Zügen meinen Kaffee aus, weil ich weiß, dass ich innerhalb der näch s ten fünf Minuten im Auto sitzen werde. Ich mache diesen Job nicht, weil ich das Geld brauchen würde, auch wenn die Me t ropolitan Police Freelancer wie mich außergewöhnlich gut en t schädigt für den Aufwand, besonders an Wochenenden. Für gewöhnlich handelt es sich um Gerangel, Schlägereien und

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