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Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts

Titel: Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Roger Zelazny
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dem Schluß, daß mir das freie Bahn gab, alles zunächst zu prüfen, die Funktionen des Systems unter die Lupe zu nehmen und die Programme zu revidieren, bis alles zu meiner Zufriedenheit und in Ordnung war. Dann könnte ich das Ganze in einen dauerhafteren Zustand überführen, bevor es den Betrieb einstellte. Dann wäre nichts verloren; sein Erinnerungsspeicher wäre unversehrt, wenn einmal die Zeit kommen würde, um seine Funktionen wiederherzustellen.
    Vielleicht...
    Und wenn ich nun alles täte, um es in einen tadellosen Zustand zu bringen, einschließlich des Einbaus einiger - wie ich fand - überflüssiger Sicherheitsvorrichtungen, um Random glücklich zu machen? Dann, so sinnierte ich weiter, könnte ich an Random herantreten, ihm vorführen, was ich geschaffen hatte, und ihn fragen, ob er sich nun darüber freue. Wenn er sich nicht freute, könnte ich es immer noch stillegen. Aber vielleicht würde er Erwägungen anstellen. Vielleicht wäre es ihm des Nachdenkens wert...
    Ich spielte imaginäre Gespräche mit Random durch, bis der Mond zu meiner Linken dahingezogen war. Inzwischen hatte ich mehr als die halbe Strecke den Kolvir hinab hinter mich gebracht, und das Vorankommen wurde zunehmend leichter. Ich spürte bereits, daß die Kraft des Musters etwas nachgelassen hatte.
    Ich hielt während des Abstiegs mehrmals inne, um Wasser zu trinken, und einmal aß ich ein Sandwich. Je mehr ich darüber nachdachte, desto mehr kam ich zu der Überzeugung, daß Random einfach wütend würde, wenn mein Denken weiterhin in den bisherigen Bahnen verliefe, und wahrscheinlich würde er mir nicht einmal bis zu Ende zuhören. Andererseits war auch ich wütend.
    Aber es war ein langer Weg mit wenigen Abkürzungen. Ich hätte noch reichlich Zeit, um das Ganze aus allen Blickwinkeln zu betrachten.
    Der Himmel wurde allmählich heller, als ich den letzten Felsenhang überquerte, um zu dem breiten Weg am nordwestlichen Fuß des Kolvir zu gelangen. Ich betrachtete eine Gruppe von Bäumen auf der anderen Seite des Weges; einer der größten davon war eine vertraute Landmarke...
    Durch einen Blitz aus heiterem Himmel, der mit einem Zischen herabzuckte, gefolgt von einer bombengleichen Reihe von Donnerschlägen, wurde dieser Baum gespalten, keine hundert Meter von mir entfernt. Ich hatte beide Hände hochgeworfen, als der Blitz einschlug, dennoch hörte ich das Krachen von splitterndem Holz und noch Sekunden später den Widerhall des Knalls.
    Dann schrie eine Stimme: »Kehr um!«
    Ich vermutete, daß ich der Angesprochene in dieser Dialogeröffnung war. »Können wir darüber reden?« entgegnete ich.
    Es folgte keine Antwort.
    Ich streckte mich in einer flachen Vertiefung neben dem Weg aus, dann robbte ich darin einige Körperlängen weiter zu einer Stelle, wo die Deckung besser war. Ich horchte und hielt Ausschau, in der Hoffnung, daß derjenige, wer immer dieses Bravourstück fertiggebracht hatte, sein Versteck auf irgendeine Weise verraten würde.
    Nichts geschah, doch während der nächsten halben Minute suchte ich mit den Augen das Waldstück und einen Teil des Hanges ab, den ich heruntergekommen war. Aus diesem Blickwinkel bekam ich durch ihre Nähe eine schwache Eingebung.
    Ich rief das Bild des Logrus herbei, und zwei seiner Linien wurden zu meinen Armen. Dann streckte ich sie aus, nicht durch den Schatten, sondern den Hang hinauf, wo ein ziemlich großer Stein über einer Anhäufung anderer balancierte.
    Ich suchte nach einem Halt und zog daran. Er war zu schwer, um so ohne weiteres zu kippen, also wackelte ich daran herum. Zuerst langsam. Endlich hatte ich ihn zum Kipp-Punkt gebracht, und er polterte herunter auf die anderen, woraufhin ein kleiner Steinschlag einsetzte. Ich wich weiter zurück, als sie aufprallten und ihrerseits wieder Steine hüpfen ließen. Etliche schwere Brocken kamen ins Rollen. Eine Bruchlinie gab nach, als sie an einer steilen Stelle auf eine Kante aufschlugen. Eine ganze Decke aus Steinen ächzte und knackte, fing an zu rutschen.
    Ich spürte das Beben, während ich meinen Rückzug fortsetzte. Ich hatte nicht damit gerechnet, daß ich etwas so Gewaltiges auslösen würde. Die Steine hüpften, rutschten und flogen in das Waldstück. Ich sah, wie die Bäume schwankten und einige von ihnen abgeknickt wurden. Ich hörte das Knirschen, Knarren, Knacken.
    Ich gab der Sache noch eine weitere Minute nach ihrem scheinbaren Ende. Die Luft war erfüllt von Staub, und die Hälfte des Waldes war niedergemäht.

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