Amber-Zyklus 06 - Die Trümpfe des jungsten Gerichts
dies keine schlechte Stelle für ein letztes Lager wäre.
Ich brach eine Anzahl der Glieder ab und steckte sie in den rosafarbenen Boden, der die Beschaffenheit von halberstarrter Spachtelmasse hatte. Ich errichtete auf diese Weise eine runde Palisade von etwa Schulterhöhe, zu deren Mittelpunkt ich mich machte. Ich wickelte Frakir von meinem Handgelenk und gab ihr die nötigen Anweisungen, während ich sie auf meine unebene, glänzende Mauer legte.
Frakir dehnte sich in der Länge aus, streckte sich und machte sich dünn wie ein Faden, um sich zwischen den scherbengleichen Zweigen hindurchzuwinden. Ich fühlte mich sicher. Ich glaubte nicht, daß irgend etwas diese Barriere überwinden könnte, ohne daß Frakir aufspringen und sich als tödlich enge Schlinge um den Angreifer herumlegen würde.
Ich breitete meinen Umhang aus, legte mich hin und schlief ein. Wie lange ich schlief, vermag ich nicht mit Sicherheit zu sagen. Und ich erinnere mich an keinen Traum. Ich wurde auch durch nichts und niemanden gestört.
Als ich aufwachte, bewegte ich den Kopf, um mich neu zu orientieren, doch der Anblick war zu jeder Seite hin derselbe wie zuvor. In jeder Richtung außer nach unten bot sich der Sicht nichts anderes als verschlungene Kristallzweige. Ich rappelte mich langsam auf und drückte dagegen. Sie waren fest. Ich war in einem Glaskäfig gefangen.
Obwohl es mir gelang, einige kleinere Zweige abzubrechen, waren es vorwiegend die größeren über mir, die meine Befreiung verhinderten. Jene, die ich anfangs eingepflanzt hatte, waren beträchtlich dicker geworden und hatten sich fest verwurzelt. Sie würden selbst unter meinen heftigsten Fußtritten nicht nachgeben.
Das verdammte Zeug machte mich wütend. Ich schwang meine Klinge, und Glassplitter flogen durch die Luft. Daraufhin vermummte ich mein Gesicht mit dem Umhang und schlug noch ein bißchen wilder um mich. Dann merkte ich, daß sich meine Hand feucht anfühlte. Als ich hinsah, stellte ich fest, daß sie blutüberströmt war. Einige der Splitter waren sehr scharf. Ich unterließ die Hiebe mit der Klinge und nahm wieder die Fußtritte gegen die Einsperrung auf. Die Wände knarrten gelegentlich und erzeugten klirrende Laute, doch sie hielten meinen Bemühungen stand.
Ich leide normalerweise nicht unter Klaustrophobie, und mein Leben war nicht unmittelbar in Gefahr, doch irgend etwas an diesem glänzenden Gefängnis ärgerte mich mehr, als es der Situation angemessen gewesen wäre. Ich tobte vielleicht zehn Minuten lang herum, bevor ich mich zu ausreichender Ruhe zwang, um einigermaßen klar denken zu können.
Ich erforschte den Wirrwarr, bis ich die einheitliche Farbe und Konsistenz von Frakir ausmachte, die sich zwischen den Zweigen hindurchschlängelte. Ich legte die Fingerspitzen auf sie und sprach einen Befehl. Ihre Helligkeit nahm zu, sie durchlief das Spektrum und hielt bei einem roten Glühen inne. Ein paar Sekunden später folgte das erste Knirschen.
Ich zog mich schnell in die Mitte meiner Einsperrung zurück und wickelte mich ganz und gar in meinen Umhang. Wenn ich mich niederkauerte, so überlegte ich, würden einige der Stücke von oben eine weitere Fallstrecke zurücklegen und mich mit größerer Wucht treffen. Also blieb ich aufrecht stehen und schützte Kopf und Hals mit Armen und Händen sowie mit dem Umhang.
Das Knirschen wurde zu einem Knacken, gefolgt von einem Rumpeln, Krachen, Brechen. Plötzlich schlug mir etwas auf die Schulter, doch es gelang mir, auf den Beinen zu bleiben.
Klirrend und knirschend fiel das Gebilde um mich herum zu Boden. Ich ließ mich nicht umwerfen, obwohl ich noch mehrmals getroffen wurde.
Als der Krach aufhörte und ich wieder aufblickte, sah ich, daß das Dach verschwunden war, und ich stand bis zu den Waden in herabgefallenen Ästen des korallenähnlichen harten Materials. Einige der Seitenteile waren beinahe bis auf Bodenhöhe weggesplittert. Andere ragten in unnatürlicher Schrägstellung auf, und diesmal brachten ein paar wohlgezielte Fußtritte sie zu Fall.
Mein Umhang war an mehreren Stellen zerrissen, und Frakir rollte sich jetzt um meinen linken Fußknöchel und wanderte zum Handgelenk herauf. Das Zeug knirschte unter den Füßen, als ich hinausschritt.
Ich schüttelte meinen Umhang aus und wischte die Splitter von mir ab. Ich wanderte etwa eine halbe Stunde lang und ließ diesen Ort weit hinter mir, bevor ich anhielt, um in einem heißen, kahlen Tal, in dem es schwach nach Schwefel roch, mein
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